Letzter Zar ist Russland heilig

Russische-orthodoxe Bischöfe votieren für eine Heiligsprechung von Nikolaus II. und seiner Familie. Damit ist ein langer Streit in der russischen Kirche beendet

MOSKAU rtr ■ Die Bischofskonferenz der russisch-orthodoxen Kirche hat den letzten russischen Zaren, Nikolaus II., gestern einstimmig heilig gesprochen. Damit ist ein jahrelanger Streit innerhalb der russischen Kirche beigelegt. Auch seiner Familie, die wie Nikolaus II. 1918 von den Bolschewisten erschossen wurde, hätten die Bischöfe einmütig den Rang von Heiligen zuerkannt, teilte eine Sprecherin des russischen Patriarchen Alexi II. telefonisch weiter in Moskau mit. Das Konzil der Bischöfe in der Moskauer Christus-der-Erlöser-Kathedrale hatte ihre Beratungen am vergangenen Sonntag aufgenommen.

Der von den meisten westlichen Historikern als unfähig und schwach beschriebene Zar Nikolaus II. Alexandrowitsch hatte nach seinem Machtantritt die reaktionäre Politik seines Vaters Alexander III. in Russland fortgesetzt. Am so genannten „Blutsonntag“ 1905 ließ er auf friedlich Streikende schießen, von denen einige sogar sein Porträt mitführten. Von seinen eigenen Generälen 1917 zur Abdankung gezwungen, wurden Nikolaus und seine Familie am 16. Juli 1918 in Jekaterinburg von den Bolschewisten ermordet.

Wegen des gewaltsamen Todes genießen Nikolaus II. ebenso wie die Mitglieder seiner Familie bei vielen Russen einen Ruf als Symbolfiguren des Widerstands. Kirchenvertreter berichteten über verschiedene angebliche Wunder in Zusammenhang mit Nikolaus II. Unter anderem sollen Ikonen des Zaren wohl riechende Tränen geweint haben. Solche Wunder gelten auch in der russisch-orthodoxen Kirche als wichtige Hinweise vor der Heiligsprechung einer Person.

Die Gebeine der Zarenfamilie waren im Juli 1998 neben die anderer Zaren nach St. Petersburg umgebettet worden. Der damalige Präsident Boris Jelzin nahm an der Feier teil, während Alexi II. damals noch wegen Zweifeln an der Echtheit der Überreste der Veranstaltung fernblieb. Durch DNA-Proben waren die Gebeine zuvor jedoch eindeutig identifiziert worden.

Die Christus-der-Erlöser-Kathedrale war während der Stalin-Diktatur abgerissen und in den Neunzigerjahren unter dem derzeitigen Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow wieder aufgebaut worden. Das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert gilt als Symbol für das Wiedererstarken der Kirche nach 70-jähriger Herrschaft der Kommunisten.