Schönauer Rebellenkraft

Die Ökostrom-Anbieter der taz-Umsteigekampagne vorgestellt. Diesmal: Wie die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) versuchen, die Atomstrombosse unter Druck zu setzen, den Atomausstieg zu beschleunigen und dabei stetig wachsen

aus Schönau BERNWARD JANZING

Michael Sladek glaubt an die Kraft der Minderheit. „Wenn nur drei Prozent der Stromkunden zu einem sauberen Lieferanten wechseln, wird das die Stromwirtschaft verändern“, sagt der Vordenker der Schönauer Atomkraftgegner. Jede einzelne Kündigung werde die alten, atomfixierten Monopolisten ins Mark treffen. Wo nur der Aktienkurs zählt, werde schon ein Umsatzrückgang von einem Prozent die Vorstände erheblich unter Druck setzen. Sladek – oft als „Stromrebell“ bezeichnet – lässt keine Zweifel daran, dass „sein“ Schönauer E-Werk ein politisches ist. „Wir wollen Geldströme umleiten – aus den Klauen der Atomprofiteure in die Hände umweltbewusster Stromerzeuger“.

Dass die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) dieses verlässlich tun, ist unzweifelhaft – schließlich sind sie aus einer Anti-Atom-Bürgerinitiative hervorgegangen. Die EWS, 1997 nach einem zehn Jahre währenden Kampf gegen den örtlichen Monopolisten gegründet, versorgten anfangs nur die 2.800 Einwohner des Schwarzwalddorfes Schönau. Doch seit im April 1998 der Strommarkt liberalisiert wurde, können die EWS ihren Strom auch bundesweit verkaufen – vermarktet als „Schönauer Rebellenkraft“.

Ihre Glaubwürdigkeit hat den Schönauern einen unschätzbaren Wettbewerbsvorteil geschaffen. 5.500 Kunden außerhalb Schönaus beziehen inzwischen den sauberen Strom mit dem etwas hausbackenen Namen „Watt Ihr spart“. Darüber hinaus beziehen 1.250 Kunden „Watt Ihr Volt“, den etwas teureren Ökostrom für einen verstärkten Ausbau der Sonnenkraft – also mehr als dreimal so viele Kunden außerhalb des eigentlichen Versorgungsgebietes Schönau. Das hat noch kein anderer Stromversorger geschafft – auch nicht mit millionenschwerem Werbeaufwand.

Der Beschluss der Bundesregierung, langfristig aus der Atomenergie auszusteigen, hat die Wechselbereitschaft der Stromkunden nicht gebremst, eher noch beflügelt, glaubt Sladek. Sauer darüber, dass die Restlaufzeiten der Reaktoren allzu hoch angesetzt wurden, setzten nun viele Verbraucher auf den persönlichen Ausstieg.

„Solarhauptstadt“ nennt sich die kleine Gemeinde am Fuße des Feldbergmassivs gerne. Zu Recht: Mit fast 30 Watt Solarleistung pro Kopf erreicht Schönau den Spitzenwert in Deutschland. Bundesweit haben die EWS bereits 180 Kilowatt Fotovoltaik installiert, für weitere 150 Kilowatt sind die Verträge abgeschlossen – ein sichtbarer Erfolg der Stromwechsler aus der ganzen Republik. Auf 63 Standorte verteilt, entsprechen sie dem EWS-Prinzip, die Kraftwerke jeweils in Kundennähe zu errichten. Das macht Sinn, weil dann der Strom nicht weit transportiert werden muss und Glaubwürdigkeit beim Kunden schafft. Der bekommt die Ökokraftwerke zu Gesicht.

Stark ist bei den EWS auch die Kraft-Wärme-Kopplung vertreten. An 33 Orten in Deutschland hat das Unternehmen bereits effiziente Blockheizkraftwerke (BHKW) unter Vertrag genommen, zusammen 350 Kilowatt stark. Zumeist handelt es sich um die Kleinstanlagen der Firma Senertec, die für Privathäuser dimensioniert sind. Die EWS bezahlen für den BHKW-Strom einen Aufschlag von durchschnittlich acht Pfennig je Kilowattstunde, gemessen an jenen Beträgen, die von den Atomfirmen vergütet werden. Es gebe Fälle, in denen die einstigen Monopolisten für die Kilowattstunde BHKW-Strom gerade noch drei Pfennig vergüteten, sagt Sladek: „Auf diese Weise kann man die umweltfreundliche Technik natürlich völlig unwirtschaftlich machen.“

Daher das Prinzip der EWS: den Erzeugern ökologischen Stroms eine wirtschaftliche Basis zu geben. So haben die Schönauer auch Wasser-, Wind- und Biogaskraftwerke unter Vertrag genommen, die ökologisch sinnvoll, durch die Vergütungshöhe der Stromnetzbetreiber aber nicht rentabel sind.

Obwohl die EWS inzwischen im Jahr stolze 15 Millionen Kilowattstunden Strom ihres „Watt Ihr spart“-Angebotes verkaufen, weiß natürlich auch Michael Sladek, dass alleine damit der Atomausstieg nicht erreichbar ist. Deswegen kann für Sladek ein glaubwürdiger Ökostromlieferant auch nur ein politischer sein. „Wir wollen mit unserem Engagement auf die Politik einwirken“, sagt er. Ob zu Ökosteuer oder Atomtransporten, stets vertritt er offensiv seine Meinung.

Das lieben die Kunden offenbar. Steil schnellte die Absatzkurve der EWS im letzten halben Jahr empor. Sladek: „Wir müssen jetzt das Wachsen lernen, neue Mitarbeiter einstellen.“ Und das in einer Branche, die in den nächsten Jahren viel Personal abbauen wird.

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