charité in nöten
: WortbrüchigeKoalition

Welches Vertrauen kann man in politische Zusagen überhaupt noch haben? Gleich drei Institutionen haben der Charité vor vier Jahren 800 Millionen Mark für die Sanierung fest zugesagt: der Senat und das Parlament. Auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gab sein Wort. Wie wenig dies wert ist, erfahren die Charité-MitarbeiterInnen in diesen Tagen. Dabei hat es nicht einmal einen Regierungswechsel gegeben. Es ist die gleiche große Koalition, die nun wortbrüchig wird: Erst sollte die Sanierung bis 2000 abgeschlossen werden, dann wurde das Bauprojekt auf den Zeitraum 2001 plus x gestreckt. Nun droht eine teure Bauruine, wenn die Sanierungsgelder frühestens ab 2004 fließen. Das höchste Gut, die Gesundheit, ist bei der Prioritätensetzung des Senats ganz hinten gelandet.

Kommentar von DOROTHEE WINDEN

Die Gelder für die Charité auf Eis zu legen, zeugt nicht nur von kollektiver Verantwortungslosigkeit der großen Koalition. Erschütternd ist überdies die Planlosigkeit der Wissenschaftsverwaltung. Auf die Frage, wie es mit der Charité weitergehen soll, wenn es beim Investitionsstopp bleibt, gibt es keine Antwort. Dabei ist unklar, ob die 200 Millionen Mark, die beim Bund für das Projekt abrufbar sind, in vier Jahren wieder zu haben sind. Der Schaden für den Wissenschaftsstandort ist enorm.

Statt nun einer Teilprivatisierung der Uniklinik Vorschub zu leisten, sollte sich der Senat zu einer überfälligen Strukturentscheidung durchringen: Schon bei der Fusion der beiden Unikliniken Virchow und Charité hätte der Senat den Mut haben müssen, das FU-Uniklinikum Benjamin Franklin in ein städtisches Krankenhaus umzuwandeln. Statt drei Häuser notdürftig am Leben zu halten, könnte er das fusionierte Uniklinikum vernünftig ausstatten. Ohne medizinische Fakultät wäre die Freie Universität keine komplette Hochschule mehr. Zu dieser Entscheidung fehlt 10 Jahre nach der Einheit noch der Mut.

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