Hungern für den Lohn

Heute beginnen Handwerksfrauen aus Thüringen ihren zweiten Hungerstreik am Brandenburger Tor.Im Visier haben sie betrügerische Auftraggeber. Unterstützt werden die Frauen auch von Gregor Gysi

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Anders als viele Politiker halten sie ihre Versprechen. Die Thüringer Handwerksfrauen, die nach einem Hungerstreik im Juni angekündigt hatten, wiederzukommen, haben heute früh erneut am Brandenburger Tor ihr Matratzenlager aufgeschlagen. In einem offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten hatten sie damals angekündigt: „Seien Sie gewiss, uns Frauen werden Sie so schnell nicht vergessen. Dies war nicht unsere letzte Aktion, Sie sehen uns wieder.“

Hungerten die Frauen im Juni wegen der schlechten Zahlungsmoral fast vier Wochen, wollen sie diesmal zwei Monate durchhalten. Der Grund: Der offensichtliche Missbrauch mit staatlichen Fördergeldern eines Auftraggebers hat die Betriebe ihrer Männer zum Teil in die Pleite getrieben. Sie hatten für eine Zwischenerwerbs-GmbH, die mit Landesfördermitteln genossenschaftliche und städtische Wohnungen in den neuen Bundesländern erwirbt, Plattenneubauten saniert.

Obwohl die Frauen den betrügerischen Konkurs des damaligen Auftraggebers nachweisen können, obwohl bei den ehemaligen Geschäftsführern, gegen die die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wegen Untreue, Konkursverschleppung und Steuerhinterziehung ermittelt, Vermögenswerte in mehrstelliger Millionenhöhe sichergestellt wurden und obwohl das Bundeskanzleramt den Frauen im Namen von Gerhard Schröder für die Mitwirkung an der Aufklärung eines Betrugsfalles dankte, warten sie noch immer auf ihr Geld (taz vom 22. 6. 2000).

Deshalb heißt es in ihrer heutigen Presseerklärung: „Wir kämpfen mit den letzten uns zur Verfügung stehenden Mitteln, bis zum bitteren Ende – denn man lässt uns keine andere Wahl.“ Monika Schönemann, deren Mann eine Heizungsfirma hatte, die aufgrund der ausgebliebenen Zahlung von über 300.000 Mark Pleite ging, ergänzt: „Die Wahrheit muss doch am Ende belohnt werden.“

Einer der ehemaligen Geschäftsführer ist seit dem Konkurs Geschäftsführer ebenfalls einer Zwischenerwerbs-GmbH mit Firmensitz in Halle und einer Dependence in Berlin. Dem MieterEcho ist die „Konzept Zwischenerwerb GmbH“ durch ihre rüden Umgangsformen gegenüber Mietern bis hin zu „Einschüchterungsversuchen“ bekannt. Außerdem verkaufe die Firma die sanierten Wohnungen trotz des Vorkaufsrechts der Mieter an Anleger.

„Wir protestieren dagegen, dass ehrliche Handwerker ihre Existenz verlieren, weil sie Aufträge erhalten, die von betrügerischen Auftraggebern nie bezahlt werden“, heißt es weiter in der Presseerklärung der Handwerksfrauen. Neben einem Soforthilfefonds für unschuldig in Not geratene Betriebe fordern sie die Einsetzung eines Ausschusses, der die Fördermittelpraxis für kleine und mittlere Unternehmen in Ostdeutschland untersucht, die Gleichstellung mit bevorrechtigten Gläubigern wie Finanzämter oder Banken und den Eigentumsvorbehalt für eingebaute Materialien bis zur endültigen Bezahlung.

Dieses Mal können die Frauen mit prominenter Unterstützung rechnen. Während ihre Schreiben an Bundeskanzler Schröder, Angela Merkel oder Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ohne Antwort blieben, sagte Gregor Gysi sein Kommen zu. Der scheidende PDS-Bundestagsfraktionsschef wird am 13. September, wenn die Frauen zu einer Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestages geladen sind, auf einer Kundgebung von Klein- und Mittelständlern und Handwerkern sprechen – umsonst. Es gab andere Politiker, die ihre Zusage davon abhängig machten, dass sie ein Honorar bekämen.