berliner szenen
: Erfahrung tut Not

Zukunftssalon

Der interessanteste Begriff des Abends könnte „dedicated sponsor“ gewesen sein. Ich als tazlerin würde das ja für den Euphemismus des gemeinen Genossenschaftlers halten. Tatsächlich verbirgt sich hinter diesem schönen Wort ein Wohltäter der besonderen Art, ein Mensch, dessen Anliegen man nicht unbedingt mit Förderung verbindet, heißt sein Anliegen doch Anlegen. Der dedicated sponsor ist schlicht Aktionär. Freilich einer, der sein Geld nicht beim ersten Börsenhoch gleich wieder aus der Firma zieht und sie so, nach dem Anfangsengagement gleich wieder in Schwierigkeiten bringt. Erinnert irgendwie an früher, als die Leute ihre Aktien ins Depot legten und jahrzehntelang vergaßen, als sie im Traum nicht daran gedacht hätten, sich über Börsenkurse zu informieren.

Heute ist das alles anders. Wir leben in der Informations- und Wissensgesellschaft. Und da darf man nichts vergessen, nichts übersehen und sollte alles mal kennen lernen. Unter anderem auch die neueste Blüte des geselligen Berlin. Sie heißt Berliner Zukunftssalon, spross im Herbst 1999 und versammelt den schon erprobten Nachwuchs aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Kultur. Viermal im Jahr trifft man sich zu einem Debattenabend mit Dinner im Restaurant Möwe am Festungsgraben, ebenfalls viermal im Jahr findet man sich zum Jour fixe in der Leselounge des Restaurant Tucher am Brandenburger Tor ein. Dazu kommen noch zwei Social Events, auf denen die Habitués, also Salongänger, ihre Angetrauten und sonstigen Significant Others mitbringen.

Am Mittwoch nun, beim 4. Debattensalon in diesem Jahr, brachte der Referent Eric Mayer, Finanzanalyst beim Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG den „dedicated sponsor“ ins Spiel. Eigentlich ging es ja um die Informations- und Wissensgesellschaft als Leitbild der Zukunft. Doch nach gebratenem Lammkarree auf Keniabohnen mit Nusskartoffeln und Rosmarinjus sowie der freundlich entspannten Begrüßung und Einführung durch die Salonière Bettina Pohle wurde klar, dass dieses Thema in der hier versammelten Runde mit der Frage des Internets, mit den dot-coms und Start-ups der IT-Branche identisch war. Das mag zu eng gesehen sein, zumal der zweite Referent, der Wirtschaftsredakteur des Spiegel Thomas Tuma, die Sache gleich ganz mit E-Commerce verwechselte. Der Fehler ist freilich signifikant genug, um die Unterstellung zu rechtfertigen. Und so half gegen die weltweite Web-Überschätzung auch der Einwand nichts, die Kompetenz ein Auto zu fahren sei eine ebenso grundlegende Kulturtechnik in unserer Gesellschaft wie durchs Netz zu navigieren, weshalb trotzdem keiner von der Führerscheingesellschaft spreche. Verblüffend: Die Diskussion unter den rund 50 Anwesenden war lebhaft, engagiert und konzentriert. Eric Mayer brachte schließlich noch einen Begriff ins Spiel, ohne den Information und Wissen nicht weiterhelfen und plädierte für die Erfahrungsgesellschaft. Apropos Netz: Natürlich hat der Zukunftssalon auch eine virtuelle Adresse, die www.berlinerzukunftssalon.de lautet.

BRIGITTE WERNEBURG