Überraschung vom Anfang bis zum Ende

Zehn Jahre Fujimori: Schmerzhafte Wirtschaftsreform, Verfassungsputsch, Sieg über die Guerilla und schließlich nur noch Kleben an der Macht

BERLIN taz ■ Als Alberto Fujimori, Sohn japanischer Einwanderer, 1990 als Kandidat um die Präsidentschaft Perus antritt, nimmt ihn und seine Bürgerbewegung „Cambio 90“ (Wende 90) zunächst niemand ernst. Zu den großen Debatten im Fernsehen, bei denen sich die anderen Kandidaten am scheinbar sicheren Wahlsieger, dem Schriftsteller Mario Vargas Llosa, abarbeiten, wird Fujimori gar nicht erst eingeladen.

Peru steckt in einer schweren Krise. Die kopflose Verstaatlichungspolitik der linkspopulistischen Apra von Präsident Alan García hat die Wirtschaft ruiniert. Von August 1989 bis August 1990 hat das Land unter 12.000 Prozent Inflation gelitten, und gerade die arme Bevölkerung, die ihre kargen Einkünfte nicht sofort in Dollar anlegen kann, erlebt einen steten Verfall der Kaufkraft. Große Teile des Landes stehen unter dem Eindruck des Krieges der maoistischen Guerilla, des „Leuchtenden Pfades“ unter Führung von Abimael Guzman. Alle paar Tage explodiert auch in der Hauptstadt Lima eine Autobombe, vor Anschlägen ist niemand sicher. Das traditionelle Parteiensystem ist am Ende, die politische Elite gilt als unfähig und korrupt. Sowohl Vargas Llosa als auch Fujimori treten mit unabhängigen Gruppierungen an.

Vargas Llosa, der zum Neoliberalismus konvertierte ehemalige Linke, verkündet im Wahlkampf ein radikales wirtschaftliches Konsolidierungsprogramm – Fujimori, der unbekannte Agraringenieur und Spezialist für Kulturpflanzen der Andenländer, polemisiert dagegen. Mit über 60 Prozent der Stimmen geht der „Chino“, 51 Jahre alt, als klarer Sieger aus der Stichwahl hervor.

Es ist ein böses Erwachen, als der neue Präsident schon wenige Wochen später dem Land den „Fuji-Shock“ verordnet, eines der striktesten ökonomischen Anpassungsprogramme ganz Lateinamerikas. Am 8. August 1990 lässt er von einem Tag auf den anderen alle staatlich kontrollierten Preise um rund 300 Prozent anheben, Benzin sogar um 3.100 Prozent, friert gleichzeitig die Löhne ein – was insbesondere die 1,2 Millionen Beschäftigten im unter der Apra-Regierung aufgeblähten Staatsapparat hart trifft. Gleichzeitig wechselt er die Spitzen der Polizeiführung aus und ruft den Ausnahmezustand aus. Die Armee unterstützt ihn – Peru reibt sich die Augen.

Fujimori konsolidiert seine Macht. Sein Wirtschaftsprogramm greift: Die Inflation liegt im November 1990 schon bei nur noch 5 Prozent, mit IWF und Weltbank wird neu verhandelt. Im April 1992 ist sich Fujimori seiner Sache sicher: Gemeinsam mit dem Militär putscht er, hebt die Verfassung auf und löst das Parlament und das oberste Gericht auf. Das Ausland protestiert verhalten. Die abgesetzten Parlamentarier wählen eine Gegenregierung, die aber weder in Peru noch im Ausland auf Interesse stößt – stattdessen erhält Fujimori im Land in allen Umfragen Zuspruch.

Endgültig gesichert ist der autokratische Präsident, als Sendero-Chef Guzman im September 1992 in Lima festgenommen wird. Dass Fujimori bei der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung im November 1992 einen klaren Sieg erringt, ist nur noch Formsache. Hunderte von Sendero-Kämpfern nehmen 1993 ein Amnestieangebot der Regierung an, aus dem Gefängnis heraus unterbreitet Guzman im Oktober 1993 ein Friedensangebot.

Im April 1995 wird Fujimori erneut zum Staatsoberhaupt gewählt. Er ist auf dem Zenit seiner Macht. Von da an geht es abwärts. Im Dezember 1996 besetzt ein Kommando der totgesagten MRTA-Guerilla die Residenz des japanischen Botschafters in Lima und nimmt Diplomaten aus aller Welt als Geiseln. Nach viermonatigem Hinhalten lässt Fujimori das Gebäude stürmen, alle Geiselnehmer werden erschossen, die Geiseln befreit. Fujimori steigt persönlich über die Leichen der Guerilleros. Doch auch das festigt bei den Peruanern den Eindruck, dass nicht mehr ihr Präsident, sondern das Militär und der dubiose Geheimdienstchef Montesinos regieren. Fujimoris Popularität sinkt auf 23 Prozent.

Mit einem Verfassungstrick, den der von ihm eingesetzte oberste Gerichtshof bestätigt, erreicht Fujimori, im April 2000 erneut um die Präsidentschaft kandieren zu können. Doch obwohl die gleichgeschalteten Medien über den Wahlkampf des Oppositionsbündnisses unter Alejandro Toledo fast nicht berichten, gerät die Wahl zur Zitterpartie. Schließlich gewinnt Fujimori den ersten Wahlgang durch massiven Wahlbetrug. Zur Stichwahl tritt Toledo aus Protest nicht an – ein diskredierter Fujimori übernimmt erneut die Präsidentschaft. Doch seine Zeit scheint vorbei: Es gärt im Apparat selbst. Fujimoris Machtbastion ist schließlich auch verantwortlich für seinen Abgang. BERND PICKERT