Judenhetze in Auschwitz wieder erlaubt

Das oberste Verwaltungsgericht Polens legalisiert die antisemitischen Aktivitäten auf dem historischen „Kiesplatz“

WARSCHAU taz ■ Mieczyslaw Janosz und seine antisemitische „Gesellschaft der Kriegsopfer“ dürfen auf den so genannten „Kiesplatz“ des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz zurückkehren. Dies beschloss am Freitag das Oberste Verwaltungsgericht Polens. Es hob damit die Entscheidung des Woiwoden von Kleinpolen sowie des Innenministers auf, die die Nutzung des Geländes letzten Sommer der Gesellschaft untersagten.

Deren Anhänger hatten dort zuvor über 300 Kreuze aufgestellt und zum Kampf gegen deutsche Juden aufgerufen. In Flugblättern bezeichneten sie diese als „satanisch-heidnische Kräfte“ und unterstellten ihnen die Absicht, „das polnische Volk auszulöschen“. Auf dem Kiesplatz von Auschwitz hatte die SS einst 152 Polen erschossen.

Die fristlose Kündigung des Pachtvertrages der „Gesellschaft der Kriegsopfer“ und ihres Vorsitzenden Miezyslaw Janosz für das Gelände erfolgte seinerzeit kurz vor dem Besuch des Papstes in seiner Heimat . Der Woiwode stützte sich dabei auf das „Gesetz zum Schutz von Gedenkstätten“. Es sieht eine 100 Meter breite Schutzzone rund um alle Gedenkstätten vor, innerhalb welcher Demonstrationen und bauliche Maßnahmen von seiner Zustimmung abhängig sind.

Die „Kriegsopfer“ hatten das Gelände Kazimierz Switon überlassen, einem Sympathisanten. Der hatte nicht nur die polnischen Katholiken öffentlich dazu aufgerufen, in Auschwitz „zur Rettung der Nation“ die besagten Kreuze aufzustellen, er hatte auch eine Holzkapelle errichten und von der „Bruderschaft des heiligen Pius“ Messen lesen lassen. Anlass für seine Verhaftung waren nicht die antisemitischen Äußerungen, sondern seine Behauptung, er habe das Gelände vermint, um die Räumung der Kreuze zu verhindern.

Kündigung und Haftbefehl hob das Oberste Verwaltungsgericht Polens nun auf, da sich sowohl der Woiwode von Kleinpolen als auch der Innenminister lediglich auf Zeitungsartikel gestützt hätten. Ein Verwaltungsakt – und ein solcher sei die Kündigung des Pachtvertrages – müsse sich aber auf die vorherige Beurteilung der Situation durch einen Beamten stützen, begründete Richterin Izabela Kulig-Maciszewska ihr Urteil. Medienberichte müssten grundsätzlich auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden, und schließlich gebe es ja auch keine allgemeine Pflicht zum Zeitunglesen.

Die Richterin berücksichtigte in ihrem Urteil nicht den internationalen Imageschaden, den Polen durch die Kreuzaffäre von Auschwitz bereits erlitten hat.

Die „Gesellschaft der Kriegsopfer“, beklagte vor kurzem im Namen von „Millionen slawischen Kriegsopfern“ die einseitige Konzentration des Westens auf den „jüdischen Holocaust“ und verlangte eine entsprechende Berücksichtigung der „wahren Opfer“ bei den Entschädigungszahlungen.

Der Woiwode kann erst dann erneut gegen die Aktivitäten der „Gesellschaft der Kriegsopfer“ in Auschwitz vorgehen, wenn auch ein polnischer Beamter diese als „antisemitisch“ einschätzt. Der nächste internationale Skandal für Polen ist mit dieser Entscheidung vorprogrammiert.

GABRIELE LESSER