vorlauf
: Krank, aber geil

Klein, schnell und außer Kontrolle (So., 21.20 Uhr, 3sat)

Was haben wir nicht schon alles für Sportarten bei diesen Olympischen Spielen gesehen, abends vorm Einschlafen und morgens nach dem Aufwachen: Trapschießen, Beachvolleyball, Militaryreiten und dergleichen Schlafmützensport mehr. Was von ARD, ZDF und selbst den Lümmeln von Eurosport auch in der Nacht mal wieder nur am Rande gezeigt wird, ist Tischtennis. Der Kultursender 3sat, der zumindest Halbfinal- und Finalbegegnungen live überträgt, weiß um diese Gemeinheit und zeigt deswegen aus aktuellem Anlass Jörg Adolphs Tischtennis-Dokumentarfilm „Klein, schnell, außer Kontrolle“.

Adolph hat die beiden Jungstars Timo Boll und Lars Hielscher eine Saison lang bis zur diesjährigen EM in Bremen begleitet, hat Eltern, Trainer und Präsidenten über ihren Werdegang befragt, und er beobachtet sie sozusagen backstage, leider auch bei Autobahnfahrten mit dem Opel Astra nach Jülich oder beim komplizierten Kommunizieren mit dem Handy. Von Tischtennis keine Spur, eher von den Widrigkeiten des Leistungssports. Interessanter wird es, wenn ein Tischtennisprodukthersteller erklärt, dass der Kontakt zwischen Ball und Schläger nur eine tausendstel Sekunde dauere und man hinsichtlich Schnelligkeit und Dynamik mittlerweile wohl übers Ziel hinausgeschossen sei. Ein Problem besonders fürs Fernsehen.

Was diesen Sport aber wirklich ausmacht, davon erfährt man in Adolphs Film nur wenig. Nichts davon, dass Tischtennis zu gut achtzig Prozent aus Psychologie besteht und nur was für ganz Hartgesottene ist. Nichts über den Kampf eins gegen eins, der mit allen Tricks wie „Ja“-Rufen oder Handtuchterror ausgefochten wird, nichts darüber, wie die Trainer von hinten „Hacke“ oder „Topper“ rufen oder zwischen den Sätzen vergeblichst auf ihre Schützlinge einreden. Zumindest am Ende kommt eine Ahnung von den speziellen Tiefen und Untiefen dieses Sports auf, wenn Adolph in etwas längeren Sequenzen zeigt, wie Boll in Bremen in fünf Sätzen gegen den Superstar Jan-Ove Waldner verliert. Mehr Tischtennis, weniger öde Alltagsdokumentation hätten dem Film und auch diesem kranken, aber geilen Sport aber sicher besser getan.

P. S. Timo Boll ist in Sydney am Freitag gegen den Österreicher Werner Schlager mit 22:24 21:19, 21:17, 13:21, 16:21 ausgeschieden GERRIT BARTELS