berliner szenen
: Elterneigentum

Eltern müssen ihrem Nachwuchs immer etwas Gutes tun, und daran ist eigentlich nichts auszusetzen. Leider kommen solche elterlichen Eingebungen gemeinhin mit der Bestimmtheit eines kategorischen Imperativs daher, und auch meine Eltern ertragen keinen Widerspruch. Sie setzen darum auf Überraschungseffekte, die ihnen auch jedes Mal gelingen: Sie wohnen weit weg.

So geschah es, dass mein Vater einmal sieben Umzugskartons mit Geschenken vollstopfte. Er lud sie auf den Lastwagen eines ihm bekannten Unternehmers, rief mich an und sagte, ich sollte den Laster um soundsoviel Uhr an der Tankstelle soundso auf der Autobahn zwischen Berlin und Hamburg abpassen. Ich sah mich schon wie ein Gangster an einer obskuren Tankstelle verdächtige Ware in Empfang nehmen, da fiel mir ein, dass ich am Tag der Übergabe auch noch eine Herde Ökoschafe filmen sollte – genau am anderen Ende der Autobahn. Für meinen Vater bestand allerdings kein Zweifel daran, dass das ganze Drehteam seine Route ändern und dem Brummi mit den Umzugskartons hinterherfahren müsse – zur Not mit den Ökoschafen im Anhänger. Einen Dachgepäckträger empfahl mein Vater dann noch, für die Geschenke. Die Geschichte endete damit, dass ich mich nach dem Dreh nächtens auf die Suche nach der Tankstelle machte, wo der Lkw-Fahrer die Umzugskartons hinterlassen hatte. Bei meiner Nachtblindheit war die Fahrt ein wahrer Selbstmordversuch. Ob mein Vater das bedacht hatte?

Ähnliche Fragen stelle ich mir derzeit oft, nur dass es jetzt um meine Bleibe geht. Zunächst kam meine Mutter zu Besuch und begann über meine Wohnung zu meckern. Das ist etwas, was bei Müttern normal ist, deshalb machte ich mir zunächst auch keine Gedanken. Bedenklich hätte mich stimmen sollen, dass sich kurz darauf mein Vater zu Besuch meldete und unverzüglich dasselbe Thema ansprach. Sechs Tage lang redete er sich den Mund fusselig, ich solle bitte sofort umziehen. Dann reiste er ab. Eines Tages standen dann Vater und Mutter gemeinsam vor der Tür. Endlich solle eine Eigentumswohnung her, polterten sie, gebaut nach allen Regeln der Kunst. Waren sie übergeschnappt? Ich machte mir ernsthafte Sorgen.

Meine Eltern fuhren. Ich hoffte auf Besserung, doch einmal zu Hause, setzten meine Eltern die Telefonterrormethode ein. Dreimal täglich wollten sie fernmündlich wissen, wie viele Wohnungen ich nun hätte, deren Größe, Aufteilung, Bautyp, Preise. Dann ging es um Grundbücher, Zinsen, Notare, Rechtsanwälte, wobei Telefon und Handy zumeist gleichzeitig klingelten – bis ich einen Nervenzusammenbruch erlitt. Über meinen Zustand in Kenntnis gesetzt, befanden meine Eltern, ich sei gründlich überarbeitet, ein Urlaub im Schoß der Familie würde mir gut tun.

Gott sei Dank habe ich eine gute Ausrede. Eine alte Freundin hat angerufen, um mich in die Toskana einzuladen. Ihre Eltern, sagte sie, hätten dort einen Bauernhof, den sie zwei Wochen mit drei Hunden, vier Katzen, einer Schildkröte, zwei Bauern und einem tibetischen Mönch zu bewohnen gedenken. Und mit uns. Der Mönch, ein Freund der Familie, wird den Urlaubstrupp täglich um fünf per Gong zum Morgengebet rufen. So haben es sich die Eltern der Freundin gedacht. Sie möchten unbedingt zu unserer Entspannung beitragen.

AURELIANA SORRENTO