Die NPD verbieten?

Ja
Es sind Kader der NPD und ihrer Jugendorganisation, der Jungen Nationaldemokraten, die die in gewalttätigen Gruppen geformte völkische Alltagskultur vernetzen und stabilisieren. Deshalb muss die Partei verboten werden, meint Hajo Funke.

Seit 1991 arbeiten die Jungen Nationaldemokraten der NPD, und seit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Udo Voigt auch die Partei insgesamt, an der Vernetzung mit neonazistischen und gewalttätigen Kameradschaften und der gewalttätigen rechten Szene. Sie sind darin in Brandenburg wie in Sachsen, aber auch in den anderen Ländern Ostdeutschlands erfolgreich. Sie plädieren wie der NPD-Vorsitzende in der Deutschen Stimme (August 2000) auch ausdrücklich für eine völkische Volksgemeinschaft in der Tradition des Nationalsozialismus. Einer der aktivsten NPD-Propagandisten, Horst Mahler, ist von dem (Verfolgungs-)Wahn erfüllt, dass die Ostküste = die Juden = der Mammon die Welt beherrschen und uns in die längst vorbereiteten Kriege stürzen. Begeistert beschwört er die Volksgemeinschaft der Jahre 1933 bis 1941 (!).

Als antisemitische und völkische Partei betreibt sie die Reinigung von allem Fremden und geht konsequenterweise von der Unvermeidbarkeit des Bürgerkriegs in Deutschland aus. So bezieht die Partei in ihrem Auftreten, ihrer Vernetzung und ihrer Propaganda sich unmittelbar auf die „völkische Gestimmtheit“ (Bernd Wagner) der rechten Szene informellen Terrors, in ihrem Kampf um die von den jungen Nationaldemokraten 1991 propagierten befreiten Zonen. Dies mag illustrieren, dass es sich um eine inzwischen weithin nationalsozialistische Partei handelt. Das Material für einen Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht ist ausreichend.

Aber all dies wäre ohne weitere gesellschaftliche und politische Bedeutung und erst recht kein Grund, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, wäre diese Partei so marginal wie sie es zwischen 1969 und 1989 war. Und die Argumente befreundeter Kollegen, so von Ulrich K. Preuß oder von Claus Leggewie, wären mit ihrem Impuls, im Zweifel für die Liberalität des Rechtsstaates zu optieren, zutreffend.

Aber: Wir sind seit nun mehr als neun Jahren mit der Entwicklung und Verfestigung einer gegen Fremde gerichteten völkischen Gewaltkultur konfrontiert, die sich ungestraft und ohne angemessene Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Politik hat entfalten können und nun in internen Sozialisationsprozessen inzwischen die dritte Generation der heute Zwölf- bis Vierzehnjährigen erfasst. No-go areas der von der NPD propagierten national befreiten Zonen finden sich nicht nur in weiten Teilen Brandenburgs und Sachsens, sondern überall im Osten Deutschlands. Sie finden sich auch vor der Haustür der Hauptstadt, 25 Autominuten vom Zentrum entfernt.

Es sind aber die Kader der freien Kameradschaften wie der NPD, die die in gewalttätigen Gruppen geformte völkische Alltagskultur vernetzen und organisatorisch wie ideologisch stabilisieren. Diese Kombination ist neuartig.

Dem wird sich das Bundesverfassungsgericht im Falle eines Verbotsantrag stellen müssen. Die Verbotsfrage nur im Kontext der frühen Fünfzigerjahre abzuwägen, wäre dogmatisch und entspräche auch nicht der Tradition der Entscheidungsfindung des BVerfG in der Bundesrepublik.

Gewiss, es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wollte man glauben, mit einem Verbot wäre das Problem des gewalttätigen Rechtsextremismus gelöst. Man bräuchte stattdesssen eine verzahnte Strategie: eine ganz andere Präsenz einer dazu sensibilisierten Polizei; eine professionelle Jugend und Sozialarbeit; einen Abbau staatsgestützter Diskriminierung von Ausländern und Asylbewerbern in Rhetorik und Praxis.

Aber ein Verbot, das effizient umgesetzt wird, ist geeignet, Logistik und ideologische Stabilität gerade der besonders gewalttätigen und intern hoch autoritären Gruppen entscheidend einzudämmen und: Angesichts des schier unglaublichen Unwillens, sich dem Problem zu stellen, ist es fast eine Notmaßnahme zur Verteidigung der liberalen Demokratie gegenüber lokalen und regionalen politischen Eliten. Dass es bei dem notwendigen öffentlichen Interesse an der NPD und ihrem Charakter zugleich um ihre Aufwertung ginge, ist ein nachgerade autoritäres „Argument“. Es muss uns gerade darum gehen, dass große Teile auch der liberalen Öffentlichkeit endlich das Ausmaß der Gefahr wahrnehmen, in dem potenzielle Opfer sich auch heute befinden und damit auch das der Aushöhlung des Rechtsstaates.

Mindestens 93 Ermordete seit 1990 sowie über 12.000 offiziell gezählte rechtsextreme Gewalttaten einschließlich einer etwa um das Zehnfache höheren Dunkelziffer sollten klarmachen, dass der im westlichen Europa einzigartige Flächenbrand auch in der Fläche und mit allen rechtsstaatlich verfügbaren Mitteln angegangen werden muss, wenn dies nach zehnjährigem Attentismus nicht schon zu spät ist.