NPD-Verbot: CDU ziert sich

Die Innenminister der Bundesländer wollen heute doch nicht über ein Verbot der NPD beraten. Beschwerde über späte Information. Bedenken bei CDU und Grünen wachsen. Kritik aus der SPD

BERLIN taz ■ Ein Verbot der NPD wird immer zweifelhafter. Zwar kommen die Innenminister der Länder (IMK) heute in Berlin zu ihrer verabredeten Sondersitzung zusammen. Sie werden auch über das Material gegen die NPD beraten, das Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und sein bayerischer Kollege Günther Beckstein (CSU) zusammengetragen haben. Eine Entscheidung aber werden die Minister nicht treffen.

Zu groß ist die Kritik einzelner Länder am Vorgehen der Berichterstatter. Vor allem innerhalb der CDU formiert sich der Widerstand. Aber auch bei den Grünen geben nun Politiker zu, dass sie einem Verbot „skeptisch“ gegenüberstehen, wie es der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Cem Özdemir, formuliert.

Die Innenminister von der CDU fürchten, das Material halte einer strengen Prüfung der Richter beim Bundesverfassungsgericht nicht stand. Das Konvulut umfasst etwa 500 Seiten, trotzdem sei die Beweislage für ein Verbot nicht ausreichend, begründet Hessen seine ablehnende Haltung. Das Saarland sperrt sich rigoros gegen ein Verbot, Thüringen will sich die Entscheidung offen halten und plädiert dafür, dass sich die IMK bis Ende November vertagen möge. Eine Sprecherin von Otto Schily sagte gegenüber der taz: „Wenn die Innenminister noch Zeit für ihre Entscheidungsfindung benötigen, dann akzeptieren wir das.“ Zu einer möglichen Ablehnung wollte sie sich nicht äußern.

Bis Ende voriger Woche hatte Schily das die NPD belastende Material zusammengetragen. Den Länderministern war es offensichtlich bis heute nicht möglich, dessen Inhalt genau zu prüfen. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Schäuble (CDU) fühlte sich gestern „völlig mangelhaft vorbereitet“. So seien wichtige Unterlagen erst am Mittwochabend nach 20 Uhr per Fax eingetroffen.

Die Innenminister haben mit ihrer Kritik den Damm gebrochen. Falls sich der Bundesrat gegen einen Antrag auf Verbot der NPD stelle, „dann bekommt man auch im Bundestag keine Mehrheit dafür zu Stande“, sagte Cem Özdemir der taz. Er warnt die Regierung vor einem Alleingang: „Es gibt doch Bedenken aus allen Fraktionen.“ Eine öffentlich geführte Diskussion über die NPD lehnte Özdemir ab. Dies würde die Rechten aufwerten. „Und das will ich nicht“, so Özdemir.

Der Berliner SPD-Innenexperte Hans-Georg Lorenz hält Schily vor, der Verbotsantrag sei „ein großes Risiko“. Am Ende könne die NPD „zwar als verfassungsrechtlich zweifelhaft, nicht aber als verfassungswidrig eingestuft werden“. Dies würde die NPD nur bestätigen.

Otto Schily mag aus dem Tritt gebracht worden sein; die Debatte über ein NPD-Verbot geht dennoch weiter. In der taz diskutieren heute zwei ausgewiesene Extremismusforscher. Wolfgang Gessenharter von der Universität der Bundeswehr in Hamburg hält ein Verbot für nicht gerechtfertigt, Hajo Funke von der Freien Universität Berlin sieht darin „fast eine Notmaßnahme für die Demokratie“.

ANNETTE ROGALLA

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