Durch die Hölle Bosniens

Der englische Kriegsreporter Peter Kosminsky hat mit „Warriors – Einsatz in Bosnien“ ein schwieriges Thema aufrüttelnd und trotzdem zurückhaltend verfilmt (Teil 1 und 2: 20.15 Uhr und 22.10 Uhr, arte)

von CHRISTIAN BUSS

Durch die Stille der Nacht hallt ein Schuss, und kurz darauf ist aus nicht allzu weiter Ferne ein schrecklicher Schrei zu hören. Die beiden Blauhelmsoldaten, die vor einem Lagerfeuer Wache schieben, rauchen weiter, und weil es nichts anderes zu tun gibt, schweigen sie. Sollte man aus „Warriors – Einsatz in Bosnien“ stellvertretend eine Sequenz herausheben, müssten es diese in nüchterner Halbtotaler gefilmten Sekunden sein. Zwar wird in dem dreistündigen Kriegsepos kein Verbrechen aus dem Prospekt der Gräueltaten, die während des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien verübt worden sind, ausgelassen, doch es sind diese stillen Augenblicke, die das Drama auf den Punkt bringen. Denn sie versinnbildlichen die Distanz, zu der die Blauhelme schon per Mandat verpflichtet sind.

Eine Distanz, die sie zu Schuldigen macht. So oder so. Entweder weil sie entgegen der UNO-Richtlinien ins Geschehen intervenieren oder weil sie den ethnischen Säuberungen der Serben in Bosnien tatenlos zusehen – und so den sicheren Tod vieler Muslime in Kauf nehmen. „Warriors“ ist also eine Tragödie. Bemerkenswert, wie Regisseur Peter Kosminsky in ihr auf spekulative Gewaltszenarien verzichtet.

Dabei folgt der englische Kriegsreporter erst einmal dem gängigen Muster des Genres: Er greift Einzelschicksale heraus, an denen exemplarisch die zerstörerische Kraft des Krieges vorgeführt wird. Dass Kosminsky sich weitgehend an der Erzählstruktur von Michael Ciminos Vietnam-Klassiker „Die durch die Hölle gehen“ orientiert, schafft dabei eine gewagte Analogie: Der Job unter UNO-Mandat 1992 wirkte sich demnach nicht minder desaströs auf die Beteiligten aus als einst der Einsatz in Vietnam. Wie die GIs in Ciminos Gewaltepos nehmen auch die englischen Soldaten in „Warriors“ am Anfang Abschied von ihrer Jugend – durch Besäufnisse oder Hochzeiten. Als sie am Ende aus dem Krieg heimkehren, sind sie nur noch Wracks, suizidgefährdet und psychotisch.

So weit gehorcht „Warriors“ also den Konventionen des Kriegsfilms. Doch in zentralen Punkten weicht der Film von den Vorgaben des Genres ab, weil die Blauhelme in „Warriors“ als Spiegel fungieren, in denen sich der Schrecken der Zivilbevölkerung zeigt. Das ist ganz wörtlich zu nehmen: Wenn einer der Männer auf einen Leichenberg mit toten Muslimen steigt, um nach Überlebenden zu suchen, sehen wir nichts anderes als sein Gesicht. Beim anschließenden Massenbegräbnis werden in einer peniblen Prozedur die Körperreste zusammengetragen und notiert. Auch bei diesem Protokoll des Grauens, das wie der Film insgesamt mit dokumentarischer Akkuratesse inszeniert ist, werden keine Leichenteile gezeigt.

„Warriors“ ist ein aufrüttelnder Film, trotzdem könnte er in seinem Erzählstil nicht zurückhaltender sein. In einer Schlüsselszene werden die Blauhelme von Muslimen durch Sitzblockaden zum Bleiben gezwungen. So wollen sie den serbischen Einmarsch in ihr Dorf verhindern. Grotesk: Da werden die waffenstarrenden Panzerfahrzeuge von Frauen und Kindern umzingelt, und die Soldaten müssen auf den nächsten Morgen warten. Als dann Granaten einschlagen, rücken sie doch ab – und überlassen die Familien den serbischen Truppen. Ein verletzter muslimischer Junge, den einer der Peacekeeper mitschmuggelt, wird bei einer Wagendurchsuchung entdeckt und muss den Serben ausgehändigt werden.

Präzise beschreibt Kosminsky den Prozess der Solidarisierung zwischen Blauhelmen und Muslimen. Ein Prozess, der zum Scheitern verurteilt ist. „Sind Sie hier, um uns vor den Serben zu beschützen?“, fragt ein Muslim, bei dem die Soldaten Kaffee trinken. Ein paar Tage später müssen sie die verkohlten Leichen seiner Familie aus dem Keller bergen.

Der Blick Kosminskys, der sich mit Dokus wie „The Falklands War: An Untold Story“ einen Namen gemacht hat, ist zweifellos fatalistisch – und dennoch analytisch. Im Gegensatz zum Gros von Kriegsfilmen, in denen entweder gute gegen böse Systeme ausgespielt oder metaphysische Exkurse über die Gewalt angestimmt werden, nimmt der BBC-Mann dezidierte Schuldzuweisungen vor. Der UNO-Einsatz, so seine Botschaft, sei zu einem Fiasko geraten, weil die Politik versagt habe.

Da kann es nicht verwundern, dass der Regisseur sechs Jahre gebraucht hat, um sein Projekt zu verwirklichen. Schließlich war er auf die Unterstützung der Politik angewiesen. Allein das Verteidigungsministerium ließ ihn zwei Jahre warten, bevor man ihn empfing. Als der Film dann schließlich doch noch mit Hilfe von acht originalen „Warrior“-Panzern und 35 britischen Soldaten in Tschechien gedreht werden konnte, begann die Nato gerade, Luftangriffe auf Belgrad zu fliegen.

So musste die serbische Schauspielerin Branka Katić, bekannt aus Fatih Akins „Im Juli“, aus der bedrohten Stadt geschmuggelt werden, um mit Angehörigen jener Armee vor der Kamera zu spielen, deren Bomben gerade die Familie daheim in Angst versetzte. Eine groteske Situation, die dem traurigen Wahnsinn der Filmhandlung in nichts nachsteht.