Diego, wie er leibt und lebt

Am Montag wird Diego Maradona 40 Jahre alt. In Argentinien verehren sie das Fußballidol trotz aller Eskapaden abgöttisch, seine kürzlich erschienene Autobiografie erlebt bereits die zehnte Auflage

aus Buenos Aires INGO MALCHER

Diego Maradona bleibt Diego Maradona. Er sagt was er will, er tut was er will, und vor allem: Er schert sich einen Dreck darum, wie andere das finden. So gewinnt man keine Freunde. Das weiß er. Aber das ist ihm egal. Kurz vor seinem 40. Geburtstag am Montag hat Maradona seine Autobiografie in die Buchläden gebracht. Titel: „Yo soy el Diego“, Ich bin Der Diego.

Maradona erzählt seine Geschichte mit den Worten Maradonas. Und das sind nicht unbedingt die feinsten Worte. Auf 319 Seiten fallen mindestens einmal pro Umblättern die Wörter „Hurensohn“ und „Scheiße“. Es ist von Kokain die Rede und von Frauengeschichten. Wer sich aber das Enthüllungsbuch des argentinischen Fußballs verspricht, gibt besser keine 35 Mark aus. Wer hingegen minutiöse Spielprotokolle Maradonas lesen will, wen interessiert, warum er lieber gegen Manndecker als gegen eine Viererkette spielt, und wer wissen will, wie der Mann, der da spricht, funktioniert, der bezahlt das Geld. Und wird nicht enttäuscht.

Anders als Pelé in Brasilien, ist Maradona nicht mit dem Ruhm und den Enttäuschungen zurechtgekommen. So mancher hätte nicht mehr viel darauf gesetzt, dass Maradona die 40 noch vollkriegt. Anfang des Jahres hätte ihn eine Überdosis Kokain um ein Haar nicht mehr aus dem Koma aufwachen lassen. Doch er ist von den Todgeweihten auferstanden. Und er weiß auch, wem er das zu verdanken hat. „Ich werde immer sagen, dass mir im Jahr 2000 Gott und Fidel Castro das Leben gerettet haben“, schreibt er in seinem Buch. Seit Anfang des Jahres weilte Maradona in Kuba zum Drogenentzug, den er jetzt beendet. Heute will er nach Buenos Aires fliegen, um seinen neuen Job als sportlicher Leiter des argentinischen Erstligaklubs Almagro anzutreten.

Die Präsentation des Buches in Buenos Aires war ein Fest. Gut tausend Menschen kamen ins neue Hilton Hotel, darunter jede Menge Fotografen, Kameramänner und Journalisten. Eigentlich von Berufs wegen neutral. Nicht aber in Argentinien, noch viel weniger bei Diego Armando Maradona, den sie gerne den „weltbesten Fußballer aller Zeiten“ nennen. Als sich plötzlich eine der Saaltüren öffnete und ein kleines Männlein in schwarzem Jackett, schwarzer Hose, weißem Hemd, aber ohne Krawatte hereinmaschierte, standen plötzlich hunderte von Sportreportern auf ihren Stühlen und sangen „Diegooooo, Diegoooooo“.

Obwohl die Argentinier mittlerweile ein eher gespaltenes Verhältnis zu Maradona haben, ist das Buch trotz der kurzen Zeit bereits in zehnter Auflage erschienen und führt die Bestsellerlisten an. Für viele hat der Autor den Bogen mit seinen Drogengeschichten überspannt. Aber heimlich verehren sie ihn doch. Und wenn er in seiner Loge in „La Bombonera“, dem Stadion seines Klubs Boca Juniors, auftaucht, muss der Anpfiff um einige Minuten verschoben werden. Er bleibt ein argentinischer Mythos. Nicht umsonst trägt er auf dem rechten Oberarm ein Che-Guevara-Tattoo, noch so ein argentinischer Mythos.

Und Diego bleibt Diego. Er ist noch immer der „Pibe“, der Junge, aus dem Slum Fiorito, wo einem niemand zeigt, dass man die Ellbogen nicht auf den Tisch stützen soll und das Silberbesteck von außen nach innen greift. In seinem Buch vereint er Öl und Wasser: Es ist gewidmet: „Fidel Castro und dem ganzen kubanischen Volk“, zwei Zeilen darunter aber auch Carlos Menem, dem neoliberalen Expräsidenten Argentiniens. Selbstverständlich „allen Fußballern der Welt“, von denen er 300 Seiten später hundert ausgewählte mit einer kurzen Charakterisierung würdigt. Denn Fußballer ist er noch immer und der Fußball seine Welt. Zuletzt widmet er das Buch „meinem Herzen und Gott“.

Zu Gott hat er einen guten Draht. Zu seiner weltlichen Vertretung nicht. Als er beim Besuch im Vatikan die goldene Decke sah, war er sauer. So kann man nicht die Rechte der Armen verteidigen. Und überhaupt, Diego redet sich in Rage, „wozu gibt es die Banca Ambrosiano? Um Drogen zu verkaufen und Waffen zu schmuggeln?“ All das, so hatte er sich fest vorgenommen, werde er Johannes Paul, der ihm wenige Minuten später die Hand schütteln würde, an den Kopf werfen. Aber dann fehlten ihm ausnahmsweise die Worte, als der Papst ihm einen Rosenkranz schenkte. „Mir kam nur ein Danke raus, nichts sonst.“ Als Johannes Paul II. ihm den Rosenkranz überreichte, sagte er nach Maradonas Darstellung: „Dieser ist speziell. Für dich.“ Doch als er ihn mit dem verglich, den seine Mutter bekommen hatte, konnte er keinen Unterschied erkennen. Also sei er zurückgegangen und habe gefragt: „Entschuldigen Sie, Eure Heiligkeit, was ist der Unterschied zwischen meinem und dem meiner Mama?“ Der Papst antwortete nicht. Maradona: „Was für ein Mangel an Respekt! Er klopfte mir auf den Rücken, lächelte, und das war’s. Als wolle er sagen, Diego, geh mir nicht auf die Eier, zieh Leine, es warten auch noch andere Leute.“ Damit war er unten durch, der Heilige Vater, denn so behandelt man keinen Diego. Schon gar nicht „El Diego“.

Diego Armando Maradona: Yo soy el Diego. Buenos Aires, Editorial Planeta 2000