Berliner Ärzte machen mobil

Diejenigen, die in eine billige Krankenkasse wechseln, tun den Ärzten nicht gut. Ihr Honorartopf nimmt ab. Doch gleichzeitig können Ärzte auch nicht haushalten

BERLIN taz ■ Gestern war es so weit. Mal wieder schlossen in Berlin Arztpraxen – für Stunden oder gleich für den ganzen Tag. Mit einer Woche des Protests wollen die Mediziner auf ihre Einkommenssituation hinweisen.

Zwei Themen bewegen die Ärzte. Zum einen geht es um das leidige Arzneimittelbudget. Damit wurden per Gesetz alle Ausgaben für Arznei- und Heilmittel begrenzt. Den meisten der 23 bundesdeutschen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) bereitet diese Vorgabe kein Problem. Doch die Berliner Ärzte können sie nicht einhalten. Im letzten Jahr lagen sie mit 9,5 Prozent über den Jahresausgaben. In diesem Jahr drohen sie ab dem 7. November das Budget zu sprengen. Bei einer Überziehung fordert das Gesetz Regress. Rein rechnerisch müsste jeder niedergelassene Arzt in Berlin mit einer Honorarkürzung von 13.000 Mark rechnen, teilt die KV mit.

Der Widerstand gegen das Budget kommt aber nicht bei allen Politikern an. Bernd Köppel, Arzt und gesundheitspolitischer Sprecher der Berliner Bündnisgrünen, verlangt von seinen Kollegen, endlich wirksame Gegenstrategien zum Ausgabeverhalten zu entwickeln.

Die Ärzte protestieren aber auch gegen die Auswirkungen des Wechsels zu preiswerten Betriebskrankenkassen. Diese zahlen im Durchschnitt eine geringere Pauschale als die Ersatzkassen pro beitragspflichtiges Mitglied an die Kassenärztlichen Vereinigungen (KBV). Die so genannte Kopfpauschale bildet aber die Grundlage für den Honorartopf der niedergelassenen Ärzte. Allein in Berlin haben die gut zahlenden Ersatzkassen beim Kassenwechsel 1999 rund 88.000 Mitglieder verloren. Die Kassenärztliche Vereinigung gibt an, im ersten Quartal 2000 habe dies zu einem Einnahmenverlust von 7,5 Millionen Mark geführt. Im Schnitt können die Ärzte für das erste Quartal 2000 mit 77,35 Mark pro Patient an Honorar rechnen. Vor drei Jahren waren es noch zehn Mark mehr.

Der Einnahmeausfall, den die Kassenwechsler verursachen, betrifft nur die niedergelassenen Ärzte und nicht die Krankenhäuser, die nach einem anderen Schlüssel bezahlt werden.

ANNETTE ROGALLA