Mitbestimmung bei Mülltrennung

Umweltschutz kontra Umweltmanagement: Nach der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes sollen Betriebsrätekünftig in ökologischen Fragen aktiv werden können. Industrievertreter befürchten das Ende ihrer Entscheidungskompetenz

von KAI BLIESENER
und BEATE WILLMS

Wenn man in deutschen Unternehmen eine Anfrage zum Umweltschutz stellt, wird man freundlich verbessert: „Umweltmanagement“ sei der richtige Ausdruck. In der Praxis ist das nicht nur ein sprachlicher Unterschied, sondern eine Frage der Zuständigkeit. Kein Wunder, dass die Vertreter der Wirtschaftsverbände Zeter und Mordio schreien, nachdem Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) angekündigt hat, die geplante Reform des Betriebsverfassungsgesetzes zu nutzen, um dem Betriebsrat eigenständige Rechte bei diesem Thema einzuräumen. In den bislang bekannt gewordenen Eckpunkten ist sogar die Rede von einem Initiativrecht – das würde Umweltschutz in die Mitbestimmung einbeziehen.

Zu Einzelheiten will man im Ministerium jedoch noch keine Stellung beziehen, solange der Referentenentwurf nicht vorliegt. Bis dahin bleibt die Begründung des Arbeitsministeriums so einfach wie unkonkret: Umweltschutz im Betrieb sei ein rot-grünes Anliegen und deshalb ein Schwerpunkt der Reform.

In den Wirtschaftsverbänden schrillen die Alarmglocken. Dort befürchtet man ohnehin, dass mit der Gesetzesreform Entscheidungskompetenzen des Managements beschnitten werden sollen. Das „umweltpolitische Mandat“, so Ludolf von Wartenberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), sei dabei ein Einfallstor. Schließlich könnten findige Betriebsräte argumentieren, dass praktisch „jede Investition mitbestimmungspflichtig“ sei. In allen Fragen, in denen er Initiativrecht hat, kann der Betriebsrat nicht nur selbst aktiv werden – das Management muss sich mit seinen Vorschlägen auch auseinandersetzen. Im Streitfall entscheidet nicht die Unternehmensspitze, sondern die Einigungsstelle, die paritätisch besetzt ist, aber einen neutralen Vorsitzenden hat.

In der Sache, behauptet Wartenberg, sei man gar nicht so weit auseinander. „In der Industrie sind Umweltmanagementsysteme gelebte Praxis“, sagt er. Tatsächlich findet sich der Ansatz nicht nur bei der Deutschen Bahn AG, die rund 500 Leute hauptamtlich oder „zusätzlich“ mit Aufgaben des Konzern-Umweltmanagements beschäftigt. Auch Unternehmen, deren Kunden nicht so offensichtlich an ökologischen Argumenten interessiert sind, werben längst mit dem sauberen Image. So heißt es bei DaimlerChrysler: „Der Umweltschutz gehört zu den zentralen Unternehmenszielen.“

Aber auch wenn der größte deutsche Konzern hier zweifellos eine Vorreiterrolle einnehmen will, lassen sich doch in der Realität Schwächen ausmachen. Gerd Rathgeb, Sprecher des Arbeitskreises Umwelt bei DaimlerChrysler, bemängelt, dass viele Vorschläge nicht umgesetzt würden, weil sie Geld kosten. Auch Mülltrennung werde kaum praktiziert, Probleme mit Emulsionen und Kühlschmiermitteln seien schon lange bekannt. Der Arbeitskreis Umwelt fordert schon länger die Reduzierung des Energieverbrauchs in der Fabrik, eine ressourcenschonende Produktion mit Recycling von Produktionsmitteln und der Nutzung wiederverwertbarer Stoffe sowie den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien – mit mäßigem Erfolg.

Für Rathgeb ist deshalb klar, dass der Umweltschutz in der Mitbestimmung verankert werden muss. Es könne nicht sein, „dass der Betriebsrat seine Meinung sagt und Vorschläge macht, diese aber ignoriert werden können“. Das gelte insbesondere für den Wasserhaushalt oder bei der gesamten Ver- und Entsorgung von Giftmüll.

„Selbstverständlich“ sind die geforderten Initiativrechte beim Umweltschutz auch für den SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer. Der Träger des Alternativen Nobelpreises sieht bei vielen Firmen Nachholbedarf. Betriebsräte müssten in der Lage sein, Gutachten in Auftrag zu geben oder bei identifizierten Umweltschäden verbindliche Abhilfe einfordern zu können.