Al Gore wäre gut für die Aktienkurse

Wall Street bevorzugt Bush als US-Präsidenten. Wichtiger ist aber, dass beide Parteien sich die Macht teilen

HAMBURG taz ■ Der Ausgang der US-Präsidentenwahl am heutigen Dienstag bewegt den Aktienmarkt. Die meisten Analysten an der traditionellen Wall Street scheinen überzeugt davon, dass ein konservativer Präsident für die Wirtschaft und damit die Aktienkurse besser wäre. Der selben Meinung sind 52 Prozent der europäischen Finanzexperten. Das ergab eine Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim.

Die Finanzexperten verfallen damit jedoch einem weit verbreiteten Vorurteil. Unter dem Strich ist es nämlich nicht die Parteifarbe, die über den Börsengang entscheidet. Die Kurse orientieren sich langfristig kaum bis gar nicht am Parteibuch des Präsidenten. Günstig für die Kursentwicklung wirkt sich hingegen aus, wenn sich die beiden großen Parteien neutralisieren, weil die eine den Präsidenten und die andere eine Mehrheit im Kongress stellt.

Im vergangenen Vierteljahrhundert legte der Aktienindex Dow Jones unter einer demokratischen Einparteienherrschaft nur um 2,3 Prozent jährlich zu. In den Jahren mit geteilter Macht legten die Kurse dagegen um satte 23,8 Prozent pro Jahr zu, errechnete James Glassman, prominenter US-Zeitungskolumnist und Mitarbeiter am American Enterprise Institute for Public Policy Research in Washington. Angesichts einer konservativen Mehrheit im US-Kongress würde daher ein Wahlsieg des Demokraten Gore die Aktienkurse langfristig besonders stark beflügeln.

Für Gore spricht ebenfalls eine Untersuchung der HypoVereinsbank. „Entgegen der landläufigen Meinung machten konservative Regierungen nicht zwangsläufig eine bessere Wirtschaftspolitik.“ So wuchs die Wirtschaft während der Amtszeit demokratischer Präsidenten schneller und die Inflation blieb niedriger als unter Republikanern. Positive Erfahrungen mit „linken“ Amtsinhabern machen bereits die deutschen Börsen. Bis zur Bundestagswahl im September 1998 galt Rot-Grün noch als Kurs-Killer, seither legte der Deutsche Aktienindex um rund 60 Prozent zu.

HERMANNUS PFEIFFER