Urteile gegen Haitis Schergen

Zum ersten Mal sind Schergen der Militärdiktatur wegen Verbrechen in Haiti verurteilt worden. Gegen Exdiktator Cédras selbst wird ab heute in Abwesenheit verhandelt

SAN SALVADOR taz ■ Zum ersten Mal sind Schergen der Militärdiktatur in Haiti verurteilt worden. Nach einem sechswöchigen Prozess verhängte ein Gericht in der Provinzstadt Gonaives gegen zwölf Angeklagte lebenslängliche Haftstrafen mit Zwangsarbeit. Vier weitere Verurteilte müssen zwischen vier und neun Jahre lang ins Gefängnis. Sechs wurden freigesprochen.

Bei dem Verfahren war es um das so genannte Massaker von Raboteau gegangen, bei dem am 22. und 23 April 1994 mindestens 60 Menschen ermordet worden waren. Nach Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen wurden in jener Nacht zwischen 60 und 100 Menschen ermordet, mindestens 200 wurden gefoltert, etwa 5.000 vertrieben, allesamt Anhänger des 1991 von den Militärs gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide.

Das Gemetzel wurde zum Anfang vom Ende der Diktatur: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war geschockt und erteilte den Vereinigten Staaten ein Mandat zum Eingreifen. Diktator Raoul Cédras floh. Am 15. Oktober wurde Aristide wieder als Präsident eingesetzt.Am heutigen Montag beginnt vor demselben Gericht ein zweiter Prozess gegen die politisch Verantwortlichen des Massakers. Doch alle 38 Angeklagten leben längst im Exil und werden nicht vor den Richtern erscheinen. Juntachef Cédras betreibt in Panama einen Computerladen. Emmanuel Constant, Exführer der Paramilitärs, ist Immobilienmakler in New York. Und der frühere Polizeichef von Port-au-Prince, Michel François, lebt als Geschäftsmann in Honduras.

TONI KEPPELER