Bildet virtuelle Banden

Was macht die Gewerkschaftslinke mit der Internationalisierung? Sie lernt von den Liverpooler Dockern und geht ins Netz. LabourNet Germany wird zwei Jahre alt

Streikende Liverpooler baten 1995 erstmals übers WWW um Hilfe. Die kam aus den USA, Japan und Australien

KÖLN taz ■ Linke Gewerkschafter werden gern als eine Art Dinosaurier wahrgenommen: klassenkämpferisch, kapitalismuskritisch, aber irgendwie nicht mitgekommen bei den aktuellen Entwicklungen und deswegen ohne Antwort auf neue Fragen. Diese Einschätzung ist nicht immer richtig. Jenseits der offiziellen Gewerkschaftsapparate hat sich ein internationales Netzwerk herausgebildet, das die Herausforderungen des Informationszeitalters nutzt und offensive gewerkschaftliche Organisation fördern will. Es organisiert sich – wo sonst – im World Wide Web. Dieser Tage feiert das LabourNet Germany schon seinen zweiten Geburtstag.

Auslöser für die virtuelle Vernetzung war der rund zweieinhalb Jahre dauernde Streik Liverpooler Werftarbeiter gegen die geplante Einführung von Niedriglöhnen. Sie hatten 1995 eine Solidaritätskampagne via Internet organisiert. An der US-amerikanischen Westküste, in Australien und in japanischen Häfen weigerten sich Kollegen daraufhin, Schiffe abzufertigen, die in Liverpool geladen hatten.

Daraus entstand die Idee, das Internet auch für andere Arbeitskämpfe als Medium zu nutzen. Eine Handvoll Briten waren im November 1995 die Ersten, die eine entsprechende Homepage unter dem Namen „LabourNet“ ins Netz stellten. Mittlerweile gibt es nationale LabourNets unter anderem in Kanada, Korea und Österreich. Das LabourNet Germany, das sich als „virtueller Treffpunkt der Betriebs- und Gewerkschaftslinken“ bezeichnet, existiert seit 1998.

Den wichtigsten Unterschied zu den offiziellen gewerkschaftlichen Netzauftritten hat eine Zeitschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf den Punkt gebracht: „LabourNet Germany – Gewerkschaftsnews, die in keiner Zeitung stehen“. Auch in keinem einzelgewerkschaftlichen oder DGB-Organ, müsste man hinzufügen. Denn das LabourNet greift auch Themen auf, die dort bewusst verschwiegen werden: Druck des DGB-Vorstandes auf kritische Mitarbeiter, Arbeitskämpfe, die auch ohne den Segen der Gewerkschaft geführt werden, Berichte über Vernetzungsbestrebungen linker Gewerkschafter jenseits der Virtualität.

Mit mehr als 3.000 täglichen Zugriffen auf die Homepage ist das LabourNet eines der erfolgreichsten linken Medienprojekte im deutschsprachigen Raum. Redaktionell betreut wird es von der Industriesoziologin Mag Wompel und dem IG-Metall-Betriebsrat Dave Hollis. Das Selbstverständnis resultiert vor allem aus der Kritik an den bestehenden Gewerkschaftsstrukturen, die sich in der Standortlogik ihrer „Sozialpartner“ verfangen haben. „Uns reicht es nicht aus, einzelne Funktionäre zu kritisieren“, so Wompel. „Das Problem der Gewerkschaften ist nicht nur ihre politische Ausrichtung, sondern auch eine mangelnde innergewerkschaftliche Demokratie.“ Trotzdem will sie unzufriedene Mitglieder nicht zum Verlassen der Gewerkschaft auffordern. „Wir rufen oppositionelle Kräfte vielmehr dazu auf, die Gewerkschaften zu verändern.“

Aktuell ist das LabourNet Germany dabei, neben der Rentendebatte und der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes auch die geplante Fusion von Fiat und General Motors unter die Lupe zu nehmen. Schließlich stehen dabei international Arbeitsplätze und -bedingungen auf dem Spiel. Die Beschäftigten der General-Motors-Tochter Opel sollen wissen, was „ihre italienischen Kollegen als Gegenwehrmaßnahmen planen“, erklärt Wompel. Auch Fiat-Beschäftigte informieren sich auf der Homepage des LabourNet Germany, das Vorschläge der Opel-Leute ins Italienische übersetzt hat.

Manchmal kommt es vor, dass auch offizielle Gewerkschaftsbeschlüsse vom LabourNet begrüßt werden. So zum Beispiel, als die IG Medien auf ihrem außerordentlichen Gewerkschaftstag Anfang September als erste Einzelgewerkschaft entschied, das „Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit“ zu verlassen. Die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder war der Ansicht, dass nicht die abhängig Beschäftigten, Jugendlichen und Erwerbslosen, sondern die Unternehmer vom Bündnis profitierten, und will sich nun auch innerhalb des DGB für einen Ausstieg einsetzen. Für das LabourNet Germany Grund genug für eine Sondermeldung. GERHARD KLAS

www.labournet.de