kabolzschüsse
: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Unterwasserrugby

Für viele Menschen ist es lebensnotwendig, gelegentlich aus dem Alltag abzutauchen. Aber nur die Wenigsten treffen sich dabei, um schwerelos schwebend gemeinsam die Luft anzuhalten. Tun sie dies im Wasser innerhalb eines cirka zwölf Meter breiten und 18 Meter langen Spielfeldes und jagen einem rundlichen Gegenstand nach, dann handelt es sich womöglich um Unterwasserrugby.

Wer jetzt denkt, es geht um ein wildes Gerangel unter Wasser, der taucht nichts. Unterwasserrugby vereinigt Tauch- und Schwimmsport, softes Rugby, umgekehrten Basketball, Zeitlupenhandball und ist wahrscheinlich die einzige dreidimensionale Sportart der Welt. Denn gepasst und entwichen wird nicht nur nach vorn oder hinten, links oder rechts, sondern auch nach oben und unten, wenn die Gegner aus allen Meeresrichtungen angreifen.

Zu Beginn des Spiels liegt der Gummiball in der Mitte des Unterwasserfeldes, und das funktioniert, weil er mit Salzlake gefüllt ist. Die Salzkugel muss innerhalb von 45 Sekunden durch die vieltentaklige Abwehr des Gegners im papierkorbähnlichen Metallkorb untergebracht werden.

Ertönt das elektrische Hupsignal, gleiten also zwei Sechser-Teams mit Hilfe einer Tauchmaske, einem Schnorchel und Gummiflossen wie vom Seeigel gestochen auf die Pocke zu. Die Oberfläche blubbert und brodelt. Dann ist niemand mehr zu sehen. Und ab jetzt herrscht beim Fingernägel kauenden Zuschauer ausgiebiger Erklärungsbedarf, den auch die zwei mit Pressluftgeräten ausgestatteten Unterwasser-Schiris nicht tilgen können. Denn so gut wie nichts ist mehr zu erkennen von der Dreidimensionalität.

Ab und zu tauchen die Unterseewühler auf, um Luft holen, das war’s. Nein, Unterwasserrugby ist gewiss kein Zuschauersport, zumindest solange nicht, bis dreidimensionalen Hechtorgien in überdimensionalen Aquarien ausgetragen werden. Auch Anfeuern bringt nicht viel, denn die Akteure können es gar nicht hören. Außer, der badeerfahrene Fanmob plant eine Beckenrand-Choreographie aus Handsignalen und Planschmorsezeichen.

Gerade deshalb macht es neugierig, wenn der Berliner Unterwasser Rugby e. V. (BUR) versucht, den diesjährigen Champions Cup, das Äquivalent zur Champions League im Fußball, am ersten und zweiten Dezember live vom heimischen Gewässer ins Internet zu übertragen. Wer das sponsert? Vielleicht das Tauchfachgeschäft Tiefenrausch oder Kowalski Unterwasserlampen. Werbefördernder Pausenfüller wäre eine Unterwasserhochzeit mit wellewiegender Ringsuche der Tauchzeugen oder Interviews mit Tiefseerecken wie Jacques Cousteau.

Im BUR e. V. tummeln sich seit 1986 die besten Berliner Feuchtrangler, um den anaeroben Rugbytauchern des FS Duisburg oder TSC Mühlheim den Korb zu stopfen. „Die konstante Stärke dieser Mannschaft dokumentiert sich darin, dass sie seit 1986 die Meisterschaft in der norddeutschen Bundesliga für sich entscheiden konnte“, bilanziert BUR-Pressesprecher Heribert Tommek.

Immerhin reichte es in den vergangenen drei Jahren immer zum dritten Platz bei den Deutschen Meisterschaften und dem Vizetitel beim eigenen, seit 1972 ausgetragenen Turnier um den Silbernen Bären. Beim Champions Cup in Berlin können sich die Berliner Unterwasserrugbier wohl weniger ausrechnen. Aber wir werden sehen, wenn auch nur sehr verschwommen.

GERD DEMBOWSKI

Auf der Außenseiterskala von null bis zwölf: 8 Punkte