Heiße Scheiben, die berühren

■ Bis die Ohren glühen: DJ Swingin' Swanee über Sintis, Swing-Deerns und andere Sweethearts

Swantje Harmsen läuft gewöhnlich in Ganovenanzug und Hut durch die Gegend. Klamotten, die der Fachfrau des Swing so gut stehen wie ihr DJ-Name: Swingin' Swanee. Demnächst erscheint ihre zweite Zusammenstellung alter Swing-Aufnahmen als CD beim Ceraton-Label. Heute Abend spielt Swingin' Swanee im Rahmen des Swing Cat's Ball heiße Scheiben, bis dem Feiervolk die Ohren glühen.

taz hamburg: Swingin' Swanee, du legst seit zehn Jahren auf. Wieso gerade Swing?

Swingin' Swanee: Ich habe festgestellt, dass die Swing-Sachen am schönsten sind, weil sie so eine Bar-Atmosphäre herstellen, wie in alten Filmen. Swing ist Musik, die berührt. Da kommt einfach nichts anderes mehr mit.

Wann und wo entstand denn Swing?

In den 20ern hieß es Hot Jazz, ab den 30ern, 40ern hieß der Jazz dann Swing. Hauptwurzeln liegen in Harlem, New York und in Kansas City. In Kansas hatte sich die Musik in den sogenannten „Roadhouses“ entwickelt, entlang der Ausfahrtstraßen der Städte. Da ist die Landbevölkerung in Fahrgemeinschaften Hunderte von Meilen gefahren, um zu tanzen.

Und wer hat Swing gemacht?

Es gab ein paar Weiße, die schwarze Musik toll gespielt haben. Aber man muss klar sagen, dass Schwarze im Jazzbereich definitiv alles erfunden haben – jede Erneuerung.

Was hörst du am liebsten?

Schwarze Orchester, kleinere Besetzungen, und oft gemischte Gruppen. Die gab es nämlich tatsächlich – auf der Bühne war das möglich.

Während im Publikum Rassentrennung herrschte?

Ja, vor allem in den Südstaaten war der Raum oft mit Tauen getrennt, oder die Schwarzen saßen oben auf dem Balkon. Oder es gab gleich verschiedene Ballrooms.

Gab es Frauen, die in Swingbands Instrumente spielten?

Ja, zum Beispiel Valaida Snow, bekannt als „Queen of the Trumpet“, die auch eigene Bands geleitet hat. Oder die Pianistin Lil Hardin Armstrong, die zweite Frau von Louis Armstrong. Sie hat die Hot Five und die Hot Seven gegründet, die in jedem Jazz-Lexikon als seine Bands beschrieben werden. Dabei hat sie ihm die meisten Songs und Arrangements auf den Leib geschrieben, die seinen tollen, frühen Swingstil rüberbringen. Und es gab reine Frauen-Bigbands, wie die International Sweethearts of Rhythm oder die Harlem Playgirls. Von letzteren habe ich leider noch keine einzige Aufnahme gefunden.

War Swing damals politisch?

Klar, Swing war ja die Musik, zu der sich Schwarze und Weiße auch gemeinsam amüsiert haben. Zum Beispiel im Savoy Swingin' Ballroom in Harlem haben alle zusammen getanzt, da gab es auch gemischte Paare – damals eine absolute Revolution.

In Deutschland wurde Swingwährend der Nazidiktatur verfolgt...

...genau, obwohl die Swing-Heinis und die Swing-Deerns, so haben die sich selbst genannt, sich nicht in erster Linie politisch verstanden haben. Aber sie wurden politisch durch die Reaktionen, die sie geerntet haben: Wegen Plattentauschs kam man ins KZ. Die Nazis haben Swing als jüdische und schwarze Weltverschwörung verteufelt. Tatsächlich waren sehr viele gute weiße Swingmusiker Juden oder Sinti und Roma, wie Django Reinhardt. Ich glaube Swing drückt aus, was man erlebt hat. Menschen, die schwierige Lebensbedingungen hatten, haben natürlich mehr zu sagen.

Wer hört denn heute Swing?

Ganz verschieden. Wenn ich auflege kommen auch Leute, die sonst Techno hören, oder im Mojo zu Dancefloor-Jazz tanzen. Und dann die alten Swing-Heinis und die Swing-Deerns. Diese 80-Jährigen sind die ersten und die letzten Gäste. Die machen den „Barmbeker Schieber“, zwei vor und zwei zurück, und schwofen die ganze Nacht.

Interview: Susie Reinhardt

Swing Cat's Ball: Donnerstag, 21 Uhr, Fabrik; Devil's Holiday-Releaseparty: 9.12., 22 Uhr, Schilleroper