„Wir sind keine Ermittlungsbehörde“

Kriminologe Christian Pfeiffer will trotz Kritik Justizminister werden. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt jetzt gegen die Mutter

BERLIN taz/dpa ■ Der niedersächsische Regierungssprecher, Volker Benke, hat an der Kompetenz des Kriminologen Christian Pfeiffer keinen Zweifel. „Er wird niedersächsischer Justizminister“, sagte Benke gestern, da könne Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf den Kriminologen noch so sehr für die Stellungnahme zum Tod des kleinen Joseph aus Sebnitz kritisieren.

Pfeiffers kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen hatte mit einem Gutachten die Wiederaufnahme der Ermittlungen zum Tod des kleinen Joseph aus Sebnitz erreicht. Nachdem sich alle Zeugenaussagen der Mutter des Toten als nicht haltbar erwiesen hatten, forderte Biedenkopf am Dienstag einen Verzicht Pfeiffers auf das Ministeramt. Biedenkopf kritisierte, Pfeiffer habe die ihm vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht mit eigenen Zeugengesprächen verglichen.

Zudem hätten einige Aussagen keinen Beweiswert, da die Zeugen noch minderjährig seien. Christian Pfeiffer wies die Vorwürfe zurück. „Natürlich kann man Ermittlungen auch auf Aussagen von unter 16-Jährigen stützen“, sagte Pfeiffer. Der Vorwurf, das Institut hätte mit den Zeugen reden müssen, entbehre jeder Grundlage. „Wir sind keine Ermittlungsbehörde“, stellte Pfeiffer klar. Zudem hätten die sächsischen Behörden die Einschätzung seines Instituts geteilt, dass neu ermittelt werden müsse. „Es ist nun Sache der Staatsanwaltschaft in Dresden zu prüfen, ob die Vorwürfe der Mutter, ihr Kind sei im Schwimmbad von Rechtsradikalen ermordet worden, berechtigt sind.“ Unterdessen hat der Deutsche Richterbund die „Vorverurteilung“ einiger Medien im Fall Joseph kritisiert.

Der stellvertretende Vorsitzende des Bundes, Victor Weber, sprach von einer „Hetzkampagne gegen die Stadt“ und forderte die Journalisten auf, mehr Zurückhaltung an den Tag zu legen. Auch der sächsische Staatskanzleichef Thomas de Maiziere kritisierte die Medien und sagte, es gebe Hinweise, dass die grölenden Neonazis vor dem Haus der Eltern nach Bekanntwerden des Falls von Journalisten bezahlt worden seien. Die sächsische Staatsanwaltschaft wollte das Gerücht nicht bestätigen. Der Deutsche Presserat sieht, solange dieser Vorwurf nicht bewiesen ist, „keine dramatische Schieflage“ in der Berichterstattung über den Fall Sebnitz. „Den Vorwurf der Vorverurteilung teilen wir nicht“, sagte der Geschäftsführer Lutz Tillmanns der taz.

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat die Ermittlungen gegen einen der drei Verdächtigen inzwischen eingestellt. „Bei den anderen beiden ist der Tatverdacht noch dünner geworden“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Claus Bogner. Dagegen wird jetzt gegen die Mutter des toten Joseph und drei von ihr benannte Zeugen ermittelt. Der Anwalt eines der Beschuldigten habe Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung und Anstiftung zur falschen Verdächtigung erstattet, teilte die Dresdner Staatsanwaltschaft gestern mit. Zur Klärung der Frage, ob Joseph gewaltsam ums Leben kam, hat die Staatsanwaltschaft nun ein drittes gerichtsmedizinisches Gutachten angefordert. R. GEISSLER