Die Stimmenlawine

Zu viele Wähler verdarben die Wahl: Briefwahl- und Lochkartensysteme versagten, weil Republikaner und Demokraten zu viele BürgerInnen zum Urnengang mobilisierten

Bei drei Verfahren, die zur Zeit in Tallahassee anhängig sind, geht es um Briefwahl und darum, an die 20.000 Wahlzettel für ungültig zu erklären. Bei den Anträgen auf Briefwahl soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Was dem Mittelstand und den Besserverdienenden die Briefwahl, das sind den ärmeren und schwarzen Wählern die Lochkarte, und beide versagten vor dem Ansturm von Floridas ungewöhnlich hoher Wahlbeteiligung von siebzig Prozent.

Briefwahl erfreut sich in Amerika wachsender Popularität. Ursprünglich während des Bürgerkriegs eingeführt, damit Soldaten fern der Heimat wählen konnten, ist die Möglichkeit der Briefwahl längst dem Zweck entwachsen, Leuten, die am Wahltag unterwegs sind, das Wahlrecht zu erhalten. Per Brief wählen kann heute in den meisten Bundesstaaten jeder, der am Wahltag keine Lust oder keine Zeit hat, zur Urne zu gehen. Die Briefwahl ist besonders für Wahlbetrug anfällig, und Wahlbetrug bei Bürgermeisterwahlen in Miami haben zur Verschärfung der Bestimmungen geführt, gegen deren Verletzung jetzt Bürger aus drei Landkreisen klagen.

Das Desaster mit der Briefwahl hat auch noch in anderer Hinsicht Ähnlichkeiten mit dem berühmt-berüchtigten Lochkartensystem. In beiden Fällen versagte die Wahltechnik gegenüber dem Ansturm der Wähler. Während die Demokraten im heiß umkämpften Florida vor allem Minderheiten und Städter an die Urnen rief, mobilisierten Republikaner vorstädtische Mittel- und Ruheständler und Berufstätige. In beiden Fällen wurde gleichsam übermobilisiert. Demokraten brachten viele Neu- und Erstwähler in die Wahllokale, die mit der Interpretation der Wahlzettel und der Technik des Wählens (Lochen der Karten) überfordert waren. Sie taten zuviel des Guten. Die Republikaner organisierten Massenwurfsendungen mit Briefwahlanträgen. Auf den Anträgen, die zu Tausenden in den Briefkästen registrierter Republikaner landeten, fehlten durch einen Softwarefehler der Mailingfirma die Wählernummern. Sie fehlten auch auf den gutgläubig unterschriebenen und eingesandten Anträgen, die mithin ungültig waren. Republikanische Funktionäre erhielten die Erlaubnis, die fehlenden Angaben nachzutragen – was ausdrücklich verboten ist. Während am Ende aber die Stimmen der Briefwähler gezählt werden dürften, werden die aus Unerfahrenheit mangelhaft oder falsch gelochten Karten nicht als Stimmen gezählt. PETER TAUTFEST