Letzte Mission vor dem Abgang

Rund einen Monat vor dem Ende seiner Amtszeit will US-Präsident Bill Clinton dem Friedensprozess in Nordirland noch einmal auf die Sprünge helfen. Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Die Fronten zwischen den Konfliktparteien sind verhärtet

DUBLIN taz ■ Bill Clinton will Nordirlands Friedensprozess retten. Der US-Präsident traf gestern mit Familie in Dublin ein. Heute reist er nach Belfast, wo er mit den im Regionalparlament vertretenen Parteien sprechen wird. Es ist sein dritter Besuch in der britischen Krisenprovinz. „Wenn es etwas gibt, das ich tun kann, um das Problem zu lösen, bevor ich aus dem Amt scheide, werde ich das tun“, sagte Clinton.

Das Problem? Vom Frieden ist Nordirland noch weit entfernt. Die protestantischen Untergrundorganisationen befehden einander, fünf Tote hat es in den vergangenen Wochen gegeben, über 200 Familien sind aus ihren Häusern vertrieben worden. Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat im Oktober einen Dissidenten erschossen, was sie abstreitet. Vorige Woche wurden ein protestantischer und ein katholischer Taxifahrer in Belfast ermordet, am Sonntag ein weiterer Fahrer in Derry schwer verletzt. Alle Organisation, die in Frage kommen, haben erklärt, sie hätten damit nichts zu tun.

Von den Politikern in Britannien und Irland gehen zur Zeit keine Impulse aus. Der Unionistenchef David Trimble, Nordirlands Premier, hat Sinn Féin vom gesamtirischen Rat ausgeschlossen, solange ihr bewaffneter Flügel, die IRA, keine Waffen herausrückt. Die IRA hat vorige Woche ihre Bereitschaft erklärt, den Kontakt mit der internationalen Abrüstungskommission wieder aufzunehmen. Voraussetzung sei, dass die britische Regierung ihre Truppen aus der Grenzregion in der Grafschaft Armagh, einer IRA-Hochburg, zurückziehe und die Polizeireform durchsetze. Chris Patten, letzter britischer Gouverneur Hongkongs, hatte im Frühjahr Vorschläge für eine Neuordnung der fast ausschließlich protestantischen Polizei gemacht, doch aufgrund des unionistischen Widerstands wurden sie stark verwässert.

Clinton soll einen Ausweg aus der Sackgasse weisen. „Abrüstung und Polizeireform sind die Dämonen der Vergangenheit“, sagte er, „und gefährden die Fortschritte, die wir gemacht haben.“ Einen entscheidenden Durchbruch beim Friedensprozess wird auch Clinton nicht herbeiführen können. „Es passiert derzeit sehr wenig“, sagte Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams.

Um Sinn Féin und der IRA entgegenzukommen, hat die US-Generalstaatsanwältin Janet Reno vorgestern bekannt gegeben, dass sie das Ausweisungsverfahren gegen neun ehemalige IRA-Mitglieder in den USA einstelle. Clinton begrüßte die Entscheidung. „Ich glaube, die Rücknahme der Deportationsandrohung trägt zum Friedensprozess in Nordirland bei“, sagte er. In seiner Rede in der Grenzstadt Dundalk kündigte Clinton gestern an, die IRA-Abpaltung „Real IRA“ in den USA formal zu verbieten. Dann könnte die Organisation, deren Hochburg Dundalk ist, in den USA kein Geld mehr sammeln. Die „Real IRA“, die nach dem Bombenanschlag in Omagh 1998 mit 30 Toten ihre Aktivitäten vorübergehend eingestellt hatte, begann im Februar eine neue Bombenkampagne. Seitdem hat die Organisation 24 Anschläge verübt.

Clintons Berater haben gestern durchsickern lassen, dass der Präsident nach dem Ende seiner Amtszeit eine Rolle als „Wächter des nordirischen Friedensprozesses“ übernehmen wolle. Warum interessiert sich Clinton für Irland? „Ich bin mir immer bewusst gewesen, dass ich Ire bin“, sagte er einmal. „Ich sehe irisch aus, ich bin irisch.“ Das zielte wohl eher auf die vielen irischstämmigen Wähler in den USA ab. Clinton erachtet den nordirischen Friedensprozess, sollte er nicht noch scheitern, als größten außenpolitischen Erfolg seiner Amtszeit. RALF SOTSCHECK