Bringer aus Bewährtem

■ Chanson-Schule und Hamburg-Austausch: Die ungleichen Gitarrenpop-Brüder Jean Paul und Johnny im Knust

Belmondo oder Sartre? „Weder noch, eher der deutsche Humanist, oder eben alles“, sagt Bassist Martin Bosecker. „Jean Paul, das ist auch einfach ein klassischer, französischer Vorname.“ Ein bisschen klassisch ist auch die Musik der vier Hamburger, die ihre Band Jean Paul nennen, denn sie borgt sich Elemente aus mehr oder weniger vergangenen Zeiten. Ein bisschen Beat-Gitarre, Velvet Underground-Akkorde, sogar ein Bo Diddley-Groove, und einige 80er-Jahre-Rocker ranken sich um frankophile Texte.

Dass daraus kein Gestrüpp entsteht, ist dem mit Bedacht gewähltem Einsatz der Instrumente zu verdanken: Guter Groove in den unteren Schallwellenbereichen, in der Mitte viel Melodie und eine sparsame, charmant-schräge Sologitarre. Über dem Ganzen Ulf Jensen, der nicht perfekt, aber dafür inbrünstig in französischer Sprache singt. Vor Jahren traf er beim Fußballspielen im Stadtpark nicht nur hin und wieder den Ball, sondern auch Seelenverwandte. Ende '98 fanden sich vier Freunde mit Faible für Französische Chansons und 80er Jahre-Feeling. Auf eine Coverversion von Gun Clubs „Mother of Earth“ konnte man sich auch einigen. Die jagte beim Konzert im letzten Dezember im Knust zahlreichen Jeffrey Lee Pierce-Fans einen Schauer über den Rücken. Zumal der damals längst verstorbene Pierce einen seiner letzten Auftritte am selben Ort absolviert hatte.

Ein echter Bringer ist die Bearbeitung von Serge Gainsbourgs „Harley Davidson“, im Original von Brigitte Bardot gesungen. Jean Paul machen daraus einen Rocker, der klingt, als hätten Bondie ihn erfunden. Meistens spielen Jean Paul aber Selbstkomponiertes. Auf der Suche nach Inspiration sind sie auch schon mal auf den Internetseiten des französischen Wetterdienstes fündig geworden: Aus einer Lawinenwarnung wird ein gleichnamiger Song, „Chute de neige“. Jean Paul verschmelzen die musikalische Lawine mit assoziativ-lautmalerischen Texten. Wer so früh wie möglich Französisch in der Schule abgewählt hat, muss deshalb heute Abend nicht zu Hause bleiben: Jean Paul transportieren Spaß an der Sprache – und an den 80ern.

Ebenfalls an Bewährtem bastelt Jean Pauls verträumterer Bruder Johnny. Der geht gar nicht so breitbeinig, wie sein Name vermuten lässt. Vielmehr macht er sich Gedanken über Gedeih und Verderb der Liebe und über den Einfluss der Plattenindustrie auf unsere Gesellschaft: „Tonträger haben unser Leben verändert“. Musikalisch orientiert sich Johnnys – bisweilen swingender – Ritt an der sogenannten Hamburger Schule (am Bass: Eike Bohlken, Ex- Blumfeld). Gute Songideen begleiten dabei die deutschen Texte von Hermann von Zehbe (Ex- Halberstadt Quartett). Und der – das ist Punk – schert sich einen Dreck darum, ob er die Töne trifft oder nicht. Susie Reinhardt

Freitag, 21 Uhr, Knust