Weihnachten für Umweltschützer

Brasilianischer Richter stoppt Bauarbeiten an südamerikanischer Wasserstraße. Die Folgen für die Umwelt seien nicht genügend untersucht worden. Schlecht für Sojaexporteure, gut für Feuchtgebiet

von MAIKE RADEMAKER

Der Ausbau der südamerikanischen Flüsse Paraguay und Parana zu einer 3.442 Kilometer langen Wasserstraße ist vorerst durch einen Gerichtsbeschluss gestoppt worden. Der brasilianische Richter Julier Sebastião da Silva ordnete in dieser Woche einen Stopp aller Arbeiten an, weil die vorliegenden Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht ausreichend seien. Mit diesem Beschluss sind die bereits in Angriff genommenen Ausbaggerungen an den beiden Flüssen, Hafenarbeiten und der Bau von Zufahrten vorerst blockiert. Umweltschützer bezeichneten die Entscheidung als „Weihnachtsgeschenk“. Das brasilianische Verkehrsministerium kündigte an, gegen die Entscheidung vorgehen zu wollen.

Mit dem Ausbau der Flüsse, die vom bolivianischen Caceres durch Brasilien, Paraguay, Uruguay und Argentinien bis in den Atlantik fließen, soll die wirtschaftliche Entwicklung in dem dünn besiedelten Inneren des Subkontinents beschleunigt werden. Er würde es möglich machen, dass Schubverbände von bis zu 16 Lastkähnen vom Zentrum des Subkontinents ungehindert und zu allen Jahreszeiten an die Atlantikküste kommen. Bisher ist die Schifffahrt auf den Flüssen immer wieder eingeschränkt, weil der Wasserstand je nach Saison stark schwankt. Zur Schiffbarmachung müssten Flussengen durch Sprengungen erweitert und Teile des Flussbettes ausgebaggert und begradigt weden. Zusätzlich sollen Häfen und Straßen neu- und ausgebaut werden um den Anschluss des Hinterlandes an den Transportweg sicher zu stellen.

Die Schiffe sollen vor allem Soja und Eisenerz transportieren. Bislang gelangen diese meist auf Zügen an die Küste.

Über die möglichen Folgen für die Umwelt streiten sich eine Koalition von weltweit über 300 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen mit dem Namen „Rios Vivos“ (Lebende Flüsse), darunter auch der World Wide Fund (WWF), seit Jahren mit den Regierungen der fünf Länder. Rios-Vivos-Vertreter befürchten vor allem, dass die Arbeiten das einzigartige riesige Feuchtgebiet Pantanal in Brasilien bedrohen. Studien zufolge würde der Wasserweg große Gebiete des Pantanal entwässern und das Ökosystem mit tausenden Tier- und Pflanzenarten aus dem Gleichgewicht bringen. Das Pantanal wurde erst im November von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärt.

Die Umweltschützer fordern statt des Ausbaus ein regionales Entwicklungskonzept, das die Interessen der armen Bevölkerung, darunter vor allem der indianischen Völker, einbezieht, und plädieren für eine Anpassung der Schiffe an den Fluss statt umgekehrt – also flachere Schiffe und kleinere Verbände.

In seiner Urteilsbegründung erklärte der Richter, die vorgelegten Untersuchungen zu den ökologischen Auswirkungen seien zu isoliert durchgeführt worden. Hier müsse es eine Folgenabschätzung aller geplanten Arbeiten geben, damit kumulative Effekte klar würden.

Tatsächlich hat allein die Ankündigung des Ausbaus der Flüsse vor einigen Jahren zu hektischen Aktivitäten im Hinterland geführt. So plant das Schiffsunternehmen „American Commercial Barge Lines“ (ACBL), der größe Transporteur auf dem Mississippi, den Bau eines Hafen im brasilianischen Morrinhos, um von dort eine Million Tonnen Sojabohnen pro Jahr zu verschiffen. Der Hauptabnehmer des brasilianischen Sojas sind Deutschland und die Niederlande – es wird dort als Viehfutter gekauft. Mit dem wegen der deutschen BSE-Krise steigendem Interesse von Landwirten an brasilianischem, gentechnisch unveränderten Soja würden solche Investitionen noch interessanter. Die ACBL-Pläne dürften mit der richterlichen Entscheidung aber erst einmal auf Eis liegen.