betr.:
Danke. Die taz wird auch im Jahr 2001 erscheinen können.
: Liebe Leserinnen und Leser,

Sie haben gerade noch mal in den Ofen geschaut. Vielleicht türmt sich hinter Ihnen in der Spüle auch schon ein Berg Geschirr, fettig und lieblich. Oder Sie liegen auf dem Sofa, hören Weihnachtsmusik von Händel, Wham! oder den Toten Hosen. Ihre Mutter hat gerade angerufen, Neffen und Nichten sind beglückt, die Mägen schmerzen ein kleines bisschen, und die Füße waten durchs bunte Papier. Alle sind glücklich, und alles ist gut.

Sogar wir sind ziemlich zufrieden. Es gibt uns noch. Das ist schon ziemlich viel. Die tazler genießen nun zwei freie Tage, wie fast die ganze Republik, und gehen dann wieder zur Arbeit. Denn die Zeitung kann noch erscheinen. Die taz hat inzwischen 2.667 Vollabos und 3.080 12-Wochen-Abos gewonnen. Die engagierten Genossinnen und Genossen haben in diesem sehr heißen Herbst für über 1,1 Millionen Mark neue Anteile gezeichnet, 762 AbonnentInnen haben ihren Abopreis erhöht. Die Solitaz hat sich am Kiosk gut verkauft, und für die taz-Fahne, das goldene Hirschfeuerzeug aus der Wahrheit-Redaktion und andere Preziosen aus unserer Werkstatt des Eigensinns sind noch ein paar Märker zusammengekommen.

Wir haben viele Gründe, dankbar zu sein. Auf etlichen Gabentischen liegen in diesen Tagen Probeabos für die taz. Der Zuspruch unserer LeserInnen, die Initiativen der GenossInnen, die intellektuelle, emotionelle und praktische Hilfe waren überwältigend. Es hat gewissermaßen, rote Rosen aus allen Himmelsrichtungen geregnet. Und dafür sagen wir: DANKE.

Der Untergang ist abgewendet, und erst mal können wir weitermachen. Die Wirklichkeit ist, wie so oft, mit einem Satz nicht zu beschreiben: Wer sagt, die Kampagne war ein riesiger Erfolg, hat Recht. Wer sagt, die taz ist eine erfolgreiche Zeitung, ein Goldfisch im Haifischbecken, hat ebenfalls Recht. Und wer sagt, dass Solidarität kein Auslaufmodell des 20. Jahrhunderts, sondern der Bringer der Zukunft ist, hat sogar dreimal Recht.

Aber, aber, aber. Die taz wird überleben, ist aber nicht gerettet. Die Zeitung braucht tatsächlich 50.000 Abos, um wirtschaftlich arbeiten zu können; das heißt: mit all den Leuten, die jetzt noch dabei sind. Auf dem Niveau, das sie halten will. Mit all den Seiten, die Sie lesen wollen. Und möglichst ohne Panik im Nacken, denn die stimuliert nur kurzzeitig. Langfristig ist Existenzangst keine gute Arbeitskollegin. Unser Betriebsmodell ist eine Ausnahme; wir halten es für vernünftig. Dass eine Zeitung ihren Lesern gehört, schützt sie vor den Kalkülen von Konzernen, die je nach Rendite, Marktanteilen und Anzeigenaufkommen Zeitungen gern auch wieder schließen, fusionieren, „konzentrieren“. Wir wissen, daß Informationen ihren Preis hat und trotzdem mehr als eine Ware ist. Und Sie wissen das auch.

So dass wir hier und heute, einmal mehr, uns paradox verhalten müssen. Denn normalerweise ist eine elementare menschliche Verständigung mit einem „Danke“ abgeschlossen: Bitte, danke - und damit erst mal gut so. Wir können das einfach nicht.

Denn die taz wird Sie weiter brauchen: als Sympathisanten und als LeserInnen, als GenossInnen und als Überzeugte; vor allem aber als AbonnentInnen. Wir arbeiten weiter daran, die taz auf eine solide wirtschaftliche Grundlage zu stellen, und ebendas wird ohne Sie nicht gehen. Die taz hat, seit ihrer Gründung als Reaktion auf unterdrückte Nachrichten vor beinahe 22 Jahren, viele Metamorphosen durchgemacht - geplant und überraschend, zweifelnd und überzeugt, nicht immer willig, aber stets erfindungsreich. Sie hat sich mit der Republik verändert und nicht selten gegen sie. In einem war sie sich immer treu: als ein Projekt der Solidarität und auch als ihr Produkt. Und das ist mehr, so meinen wir, als nur ein Gruß aus abgelebten Zeiten. Denn gleichgültig, was kommt: Die Überzeugung, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde geben muss, als die Marktwirtschaft sich denken kann, hat sie immer gelebt.

In diesem Sinne: Danke...bitte...danke...bitte

Und ein frohes Fest!

Elke Schmitter

taz-Aufsichtsrätin