Ohne schützende Hand des Vaters

Der Sohn des ehemaligen französischen Präsidenten François Mitterrand muss weiter in Haft bleiben. Dem ehemaligen Afrika-Berater seines Vaters werden illegale Waffengeschäfte mit Angola, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung vorgeworfen

aus Paris DOROTHEA HAHN

Häftling Nummer „274502 X“ wird den Anfang des neuen Jahrtausends hinter Gittern verbringen. So entschied gestern beim ersten Haftprüfungstermin ein Pariser Gericht über Jean-Christophe Mitterrand, der zu besseren Zeiten Berater für „Afrika und Madagaskar“ am Hofe seines Vaters, des sozialistischen Staatspräsidenten Frankreichs, war. Heute wird gegen ihn unter anderem wegen illegalen Waffenhandels, Bestechlichkeit, Vorteilsnahme aus einer Stellung im öffentlichen Dienst sowie Steuerhinterziehung ermittelt.

Nach Auskunft aus Justizkreisen zeigt der 54-jährige Untersuchungshäftling, dem in den 90er-Jahren 13 Millionen französische Franc von einem internationalen Waffenhändler auf ein Schweizer Konto überwiesen wurden, keinerlei Aussagebereitschaft. Mitterrands Anwalt sieht das anders. Nach dem gestrigen Gerichtstermin erklärte Jean-Pierre Versini der Presse wie schon in der Vorwoche, als Mitterrand inhaftiert wurde, dass sein Mandant überhaupt nicht verstehe, „worum es geht“. Und dass er zutiefst in seiner Ehre getroffen sei. Mitterrand, so der Anwalt, sei für Aktivitäten bezahlt worden, die in keinerlei Zusammenhang mit Frankreich stünden. Es sei bloß „unvorsichtig“ gewesen, diese Gelder anschließend in der Schweiz aufbewahrt zu haben.

Die fraglichen „Aktivitäten“ von Jean-Christophe Mitterrand, dem ältesten Sohn, spielten sich in Afrika ab. Jenem Kontinent, den er bis 1981 journalistisch für die französische Nachrichtenagentur afp beackerte, und dessen „Betreuung“ er ab 1982 im Auftrag seines Vaters übernahm. Im Elysée-Palast rückte der Sohn ins Zentrum der „Françafrique“ – jener besonderen Mischung aus Politik und Geschäften, die Frankreich seit Jahrzehnten auf dem schwarzen Kontinent praktiziert. In Afrika, wo er sämtliche Machthaber und Möchtegernmachthaber frequentierte, hieß der junge Mitterrand „Papa m’a dit“ – Papa hat mir gesagt. In Paris nannte man ihn einen Lebemann, der unter seinen vielen Freunden auch zwielichtige Gestalten hatte. Infolge bis heute nicht aufgeklärter Gerüchte über Waffenlieferungen nach Kongo-Brazzaville verschwand „Papa m’a dit“ 1992 aus dem Präsidentenpalast.

Nicht einmal sein Anwalt bestreitet, dass der Sohn sein prall gefülltes afrikanisches Adressbuch aus den Elysée-Zeiten gewinnbringend verwertete. Mitterrand machte Leute miteinander bekannt, damit sie Geschäfte treiben könnten: So führte er beispielsweise den Frankobrasilianer Falcone, der seit Anfang Dezember ebenfalls in Paris in Untersuchungshaft sitzt, bei dem einen Bürgerkrieg führenden angolanischen Staatschef Dos Santos ein. Dass Falcone, zusammen mit seinem frankorussischen Partner Gaydanek, der gegenwärtig per internationalem Haftbefehl gesucht wird, anschließend Waffen aus sowjetischen Beständen an Dos Santos lieferte, gegen angolanisches Öl und ohne Genehmigung versteht sich, will der Sohn bis zu seiner Inhaftierung ignoriert haben.

Die Affäre der illegalen Waffenlieferungen in das Bürgerkriegsland ist nicht wirklich neu. Schon 1994 gab es anonyme Hinweise aus dem Pariser Rathaus auf derartige Machenschaften. Schon damals richteten sich die Vorwürfe parteiübergreifend gegen Rechte und Linke. So soll ein enger Mitarbeiter des damaligen gaullistischen Innenministers Pasqua, der Präfekt Marchiani, der ebenfalls zum Zentrum der „Françafrique“ gehört, beteiligt gewesen sein, ebenso der sozialistische Mitterrand-Berater und spätere Bankier Jacques Attali und der französische Bestsellerautor Paul-Loup Sulitzer. Sie alle wurden von dem Waffenhändler Falcone großzügig mit Überweisungen bedacht.

Der sozialistische Präsident Mitterrand wurde Anfang 1996 beerdigt. Bis dahin hielt er, so das hartnäckige Pariser Gerücht, seine schützende Hand über den Sohn. Dass auch danach die Ermittlungen noch fünf Jahre lang stockten, könnte damit zusammenhängen, dass auch konservative französische Afrikapolitiker wenig Interesse an einer konsequenten Aufklärung der Affären der Françafrique haben.