„Nicht schlechter als die Polizei“

■ Mit einem Knastbau kommen neue Strukturen in den Bremer Strafvollzug / Der Personalrat der JVA nimmt Stellung zu dem Roland-Berger-Konzept

taz: Die Unternehmensberater von Roland Berger haben der JVA-Leitung Führungsschwäche attestiert, während das Personal gute Noten gekriegt hat. Argumentiert wurde dabei, dass ein Knastneubau gerade dann für die Belegschaft wichtig sei, wenn – wie geplant – Personal abgebaut werden muss. Klingt, als müssten Sie sich über die Pläne für einen Knastneubau freuen?

Uwe Balandes, stellvertretender Personalratsvorsitzender JVA: An sich bin ich immer für etwas Neues und Zeitgerechtes. Ein Knast wie in Oslebshausen kann nicht mehr lange Bestand haben. Aber ein neuer muss Bediensteten und Insassen auch wirklich gute Möglichkeiten bieten. Ein Zusammenwerfen von vielen Vollzugsarten, wie es jetzt geplant ist, ist für mich eher eine Legebatterie.

Aber auch in der Vergangenheit war doch schon manches fragwürdig. Berger spricht doch nicht ohne Grund davon, dass das Ansprechpart-nersystem nicht funktioniert – weil das eigentlich nötige Personal dafür fehlt.

Das Ansprechpartnersystem wurde vor rund 16 Jahren eingeführt. Der Beamte soll vor Ort Partner sein, so dass sich der Insasse auf ihn verlassen kann. Das soll den Insassen Verlässlichkeit garantieren und sie stabilisieren, während die Beamten mehr Verantwortung bekommen haben. Aber tatsächlich wird das schon jetzt abgebaut, und wir bekommen wieder die Hierarchien wie vor 20 Jahren.

Roland Berger konstatiert auch ein Nähe-Distanz Problem in diesem System.

Das kann man nicht global sagen. Es gibt immer Kollegen, die solche Probleme haben – oder andererseits das Wort zu hart richten. Aber die breite Masse, und das sagt ja auch Berger, ist gut ausgebildet und motiviert. Außerdem gibt es im Team genug Mechanismen zur Überprüfung.

Sie sprechen von Qualifikation – Berger hat festgestellt, dass überdurchschnittlich viele Bremer Vollzugsbeamte im gehobenen Dienst tätig sind.

Aber viel weniger als bei der Polizei. Außerdem haben wir aufgrund unserer Altersstruktur Leute, die schon 25 Jahre dabei sind und deswegen heute etwas zu sagen haben. Scherf selbst hat sich mal hier hingestellt und gesagt: Ihr seid nicht schlechter als die Polizei. Und ich sage: Die Polizei fängt die Leute, die wir hier ein paar Jahre um die Ohren haben. Früher haben da viele Sozialarbeiter und Pädagogen dran gearbeitet, heute machen wir's im Verbund. Das wertet unseren Beruf auf – und deswegen haben wir auch eine neue Stellenbeschreibung bekommen. Wir haben uns darum gekümmert, besser und anders zu sein.

Künftig soll „das Teamkonzept“ kommen. Was ist das?

Roland Berger schreibt vom Teamkonzept – und redet auch vom „Aufsetzen des alten Systems aufs Neue“. Das ist purer Quatsch. Tatsächlich soll wieder alles zentral in eine Hand gelegt werden. Die Zukunft kann man sich ausrechnen, wenn man weiß, dass wir jetzt mit zwei Mann auf einer Station für 32 Leute zuständig sind – und später mit drei Mann für 72 Insassen. Da muss man dann tatsächlich bewachen. Das alte Bild – was man in den Krimis noch so sieht –, soll wohl wieder wirklich werden. Der neue Anstaltsleiter hat schon gefragt, ob alle bereit sind, in der Anstalt Uniform zu tragen.

Es sollen insgesamt rund 60 Stellen abgebaut werden. Was bedeutet das?

Wir haben viele ältere Kollegen, so dass der natürliche Abgang ohnehin groß sein wird. Aber ich habe den Staatsrat so verstanden, dass auch neue Leute nachkommen werden – und zwar im mittleren Dienst.

Im Neubau soll auch der Jugendvollzug integriert werden.

Das Konzept Jugendknast im Blockland war gut – kein Riesen-knast, mehrere flache Einzelbauten, ein Grünstreifen, so dass der Mensch das Gefühl hat, er wird auch noch als Mensch gesehen. In so einem großen Bienenkorb mit tausend Vollzugsarten zu sein, wird für jeden Menschen schwieriger. Das Miteinander, was wir im Vollzug haben, kann nur stimmen, wenn Beschäftigte und Insassen sich gegenseitig wahrnehmen.

Apropos miteinander. Der Frauenknast soll nach Niedersachsen, vielleicht nach Delmenhorst, ausgelagert werden. Warum ist der Personalrat dagegen, Delmenhorst ist doch auch nicht schlechter als das Blockland zu erreichen.

Es gab kürzlich auch die Idee, den Jugendknast in den offenen Vollzug zu verlegen – weil das näher an der Straße ist. Natürlich hat alles Vor- und Nachteile. Aber die Frauen haben in Bezug auf Haftvermeidung Großartiges geleistet. Das macht Vollzug aus. Wie soll das in Niedersachsen gehen? Sowieso höre ich bei Berger nichts von Insassen, nichts von inhaltlicher Arbeit. Aber unsere Arbeit ist schwierig. Wir arbeiten mit den Menschen, die von der Gesellschaft ausgespuckt werden. Behandlung und Resozialisierung stehen im Strafvollzugsgesetz. So helfe ich den Insassen, und ich schütze die Gesellschaft. Ich sage immer, die Gesellschaft ist wie ein Elternpaar, das gerne mit seinen gelungenen Kindern angibt. Aber gute Eltern zeigen sich erst, wenn die Kinder schwierig sind und man anders mit ihnen umgehen muss.

Fragen: Eva Rhode