Als Mitarbeiterinnen nur geduldet

Eine Studie zeigt: Viele Polizisten halten ihre Kolleginnen nicht für eine Unterstützung, sondern für einen Klotz am Bein. Sexuelle Belästigung keine Seltenheit, anzügliche Bemerkungen fast an der Tagesordnung. Polizeiführung negiert Probleme

von PLUTONIA PLARRE

Die Frauen in der Berliner Schutzpolizei sind eher geduldete Mitarbeiterinnen als gleichberechtigte Kolleginnen. Sexuelle Belästigung der Polizistinnen ist keine Seltenheit, anzügliche Bemerkungen sind fast an der Tagesordnung. Das ist das Ergebnis einer Studie von Studenten der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, die die Lage der Frauen bei der Schutzpolizei untersucht haben.

Mit einem Anteil von knapp 20 Prozent sind die Frauen bei den uniformierten Ordnungshütern ohnehin nur eine Minderheit. Wenn es nach den im Rahmen der Studie interviewten Polizisten ginge, sollte es dabei auch in Zukunft bleiben. „Fast zwei Drittel der Befragten waren der Ansicht, dass der derzeitige Frauenanteil in der Berliner Polizei nicht weiter erhöht werden soll“, sagen der Verwaltungswissenschaftler Thomas Weidmann und die Grünen-Abgeordnete Sibyll Klotz, die die Studie als Dozenten betreut haben. Insgesamt wurden 182 Polizeibeamte und 165 Polizeistudenten befragt.

Fast die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass es in der Schutzpolizei „Spannungen“ zwischen Männern und Frauen gibt. Als Gründe dafür werden Neid, das Sexualdenken der Männer, Sticheleien und die Schonung von Frauen bei belastenden Einsätzen genannt. Besonderen Unmut äußern die Männer über die durch Schwangerschaft und Erziehungsurlaub bedingten Ausfallzeiten, die als Mehrbelastung empfunden werden. Auffällig ist, dass entgegen dem gängigen Vorurteil nicht die älteren, sondern vor allem jüngere Beamte Vorbehalte gegen einen hohen Frauenanteil bei der Polizei haben. Die Frauen würden von den jüngeren Männern als unmittelbare Konkurrentinnen bei der Beförderung empfunden, sagen Weidmann und Klotz. „Ihnen werden durch das Landesgleichstellungsgesetz und den Bonus bei manchen männlichen Vorgesetzen bessere Chancen unterstellt.“

Vor allem in den geschlossenen Einheiten werden die Frauen als Behinderung empfunden. 71 Prozent der Befragten vertreten die Ansicht, dass Frauen bei geschlossenen Einsätzen nicht so belastbar sind wie ihre männlichen Kollegen. Ihrer Meinung nach wären die Frauen besser in der Polizeiverwaltung aufgehoben. „Viele männliche Kollegen haben die Befürchtung, dass sie bei Widerstandshandlungen ,alleine‘ sind, wenn sie mit einer Kollegin zusammenarbeiten“, so Weidmann und Klotz. „Bei unfriedlich verlaufenden Versammlungen wird sogar damit argumentiert, dass die männlichen Kollegen auf ‚ihre Frauen‘ aufpassen müssten.“

Weidmann und Klotz beklagten, dass die zwischen Männern und Frauen auftretende Probleme von der Polizeiführung nach wie vor negiert würden: „Der Anspruch auf Gleichberechtigung ist nur ein Lippenbekenntnis.“ Tatsächlich würden die Frauen in vielen Bereichen des Polizeiapparats möglichst kleingehalten, damit sie nicht hochkommen. Viele der männlichen Polizisten lebten ihre Macht- oder Minderwertigkeitsgefühle aus, indem sie die Frauen verbal belästigten oder herbwürdigten – wohlwissend, dass sich diese kaum dagegen zur Wehr setzen können. „Bemerkungen und Werturteile über Äußerlichkeiten teilweise mit eindeutig sexuell diskriminierendem Hintergrund“, so das Ergebnis der Studie, „sind für viele männliche Kollegen anscheinend normal.“

Die Polizeiführung weigert sich, das Problem der sexuellen Belästigung und des Mobbings wahrzunehmen – von Lösungsvorschlägen ganz zu schweigen. Eine mit hochkarätigen Polizeivertretern besetzte Arbeitsgruppe hatte vor einigen Jahren versucht, der Frage nachzugehen. Auslöser war damals der Suizid einer 24-jährigen Polizistin. Von den damals 35 untersuchten Mobbing-Vorwürfen wurden aber nur zwei als Mobbing anerkannt. Für die Grünen und die SPD war klar, dass der von der Kommission vorgelegte Bericht in keinster Weise die wahren Verhältnisse in der Polizei widergespiegelt hat. Als Grund wurde vermutet, dass sich die Betroffenen nicht an eine Polizeikommission heranwagten.

Die Polizeiführung bestreitet zwar nicht, dass es Mobbing gibt, hält das vorhandene Instrumentarium zur Konfliktlösung aber für ausreichend. Gemeint sind der medizinische und psychologische Dienst der Polizei sowie deren Frauenvertreterinnen, Personalräte und Seelsorger.

Weidmann und Klotz sind dagegen der Auffassung, nur eine externe Arbeitsgruppe könne das wahre Ausmaß der Probleme zutage fördern. Zum Beleg verweisen sie auf eine polizeiexterne Untersuchung über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Von 15.675 Fragebogen seien 7.119 beantwortet zurückgekommen. Von den Befragten seien 878 Frauen und 141 Männer mindestens einmal belästigt worden. Die Mehrheit der belästigten Frauen habe sich nicht getraut, gegenüber Mitarbeitern der Polizeibehörde darüber zu sprechen. Sie hatten Angst vor negativen Konsequenzen und davor, als Nestbeschmutzer zu gelten. Auch in einer bundesweiten Studie des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz von 1991 wird festgestellt: „Die beschäftigten Frauen bei der Polizei sind von allen befragten Gruppen am häufigsten von sexueller Belästigung betroffen.“ Nur in Berlin, so Weidmann, „wird das Problem weiter totgeschwiegen“.