Kleines lakonisches Kunststück

■ Berlin-Hohenschönhausen, visuell virtuos, plotmäßig packend: Esther Gronenborns starkes Spielfilmdebüt „alaska.de“

Wohnen im Plattenbau ist in, wenn man versierten Zeitgeistexperten Glauben schenken darf; die schmucklose Funktionsästhetik der 70er wird, so heißt es, im Stadium der Abgeschabtheit langsam life-stylekompatibel. Die Protagonisten von Esther Gronenborns Regiedebüt alaska.de haben das allerdings noch nicht so richtig mitbekommen, auch wenn sie in der Andy-Warhol-Straße wohnen und in ultracoolen, monochrom eingefärbten Cinemascope-Bildern daherkommen.

Für Sabine, Eddie, Micha und den Rest der kleinen Teenie-Gang ist Berlin-Hohenschönhausen wohl einfach nur ein trostlos abgewracktes Großsiedlungsghetto, in dem es sich noch schlechter pubertieren lässt als anderswo. Auch wenn man sich zwischen Schule und Billard im Jugendclub so einigermaßen eingerichtet hat, bestimmen Langeweile und latente Aggression den Alltag. Als die eher pubertäre Gewaltbereitschaft eines Tages zum Tod eines Jugendlichen führt, geraten die Beziehungen innerhalb der Clique ganz gewaltig in Schieflage: Auf einmal gibt es Misstrauen, Verzweiflung, Angst – aber auch so etwas wie Freundschaft und erste Liebe.

Gronenborns Film kommt in Musikclip-Design und mit den fetten Sounds von mosermeyerdöring (und anderen) verdammt cool daher, ohne sich in seiner spektakulären Ästhetik zu verausgaben. Im Mittelpunkt stehen immer die Figuren, in deren medial vorgeprägte Wahrnehmung die Regisseurin sich einzufühlen versteht. Und diese Figuren haben es wirklich in sich: Gronenborn besetzte die wichtigs-ten Rollen mit Laiendarstellern aus dem Milieu, denen sie in einem langwierigen Prozess die Rollen auf den Leib schrieb.

Dem Film ist anzumerken, dass die Regisseurin sich vor ihrem ers-ten Langfilm nicht nur mit Video-clips, sondern auch mit Dokumentarfilm beschäftigt hat: Vor allem die Sprache der Dialoge – knapp, lakonisch, emotional – sucht im zumeist krampfhaft lockeren deutschen Film dieser Tage ihresgleichen. So ist der 34-Jährigen gleich mit ihrem Debüt ein kleines Kunststück gelungen: ein alltagsnaher, sozial relevanter, visuell wie dramatisch packender Film, der weder Jugendliche noch Erwachsene als Problemfilm vergraulen dürfte.

Olaf Tarmas

Preview: heute, 22.30 Uhr, Zeise; alaska.de läuft ab 25.1. in Abaton und Zeise