Pillen: Hohes Risiko für Kinder

Kinder bekommen oft die gleichen Medikamente wie Erwachsene, ohne dass Ärzte wissen, wie sie anzuwenden sind. Demnächst sollen klinische Studien Pflicht werden

BERLIN taz ■ Kinder, die Medikamente einnehmen müssen, gehen ein hohes Risiko ein. Rund 80 Prozent der verordneten Arzneimittel sind nicht von der Industrie darauf geprüft worden, ob sie jungen Patienten in Zusammensetzung oder Dosierung überhaupt zuträglich sind. Darauf machte gestern in Berlin der Leiter der Kinderklinik der Philipps-Universität in Marburg, Hannsjörg Seyberth, aufmerksam. Die Folgen der Falschdosierung könnten Nierenversagen oder auch eine Atemlähmung sein. Selbst Todesfälle seien nicht auszuschließen.

Anders als in den USA schreibt kein EU-Land vor, dass Arzneimittel vor ihrer Zulassung in einer klinischen Studie an Kindern getestet werden müssen. Dies soll jetzt auf Anraten des Europaparlaments geändert werden. Die SPD-Fraktion will einen entsprechenden Antrag in den Bundestag einbringen, versicherte gestern SPD-Gesundheitsexperte Horst Schmidbauer.

Da sich die Mediziner an keine exakte Dosierungsanleitungen für die unterschiedlichen Lebensalter von Kindern halten können, sind sie gezwungen zu experimentieren. Bei einem solchen Vorgehen verlieren sie aber den haftungsrechtlichen Schutz. Nicht nur deshalb zeigen Mediziner ein Interesse an klinischen Kinder-Studien. Sie erhoffen sich von der neuen Regelung auch, künftig gentechnisch beeinflusste Medikamente an jungen Patienten testen zu können. Eine Ethikkommission soll die Richtlinien dafür festlegen.

ANNETTE ROGALLA