Morden gegen die Einsamkeit

■ Nicht dramatisch, dafür aber live: Beim „Ziegel“-Fest ringen zwölf auserwählte Autoren um die Publikumsgunst

Rot, kompakt, gut: Die siebte Ausgabe des Hamburger Ziegels ist vor kurzem veröffentlicht worden. Die Anthologie bietet wieder einen Querschnitt durch das Schaffen von Hamburger Autoren, Fotografen und Künstlern. Auf über 500 Seiten präsentieren die Herausgeber Jürgen Abel, Robert Galitz und Wolfgang Schömel Erzählungen, Romanauszüge, Gedichte, Essays, Fotos und Illustrationen, die sie nach Sichtung Hunderter in den letzten zwei Jahren eingesandter Manuskriptseiten ausgewählt haben.

Thema des neuen Ziegels sind die Einsamkeit und ihre diversen Bewältigungstechniken, zu denen die Herausgeber in ihrer Einleitung auch die moderne Literatur selbst zählen. Das Thema war keine Vorgabe sondern kristallisierte sich erst im Sichtungsprozess aus den eingesandten Arbeiten heraus. Der Leser begegnet bei der Lektüre Sammlern und Serienmördern, Lesern und Liebeshungrigen, die auf diverse illustre Arten ihrer Einsamkeit zu entkommen hoffen oder sich in ihr eingerichtet haben.

Eine weitere Möglichkeit der Zerstreuung von Einsamkeitsgefühlen bietet die erstmals der Anthologie beigefügte CD-ROM, auf der sich Videos, Lesungen des Hamburger Literaturtelefons und die Bildgeschichte „Pinguin“ finden. Beiträge von alten Meistern und neuen Talenten wie Lou A. Probsthayn, Dierk Hagedorn, Brigitte Kronauer, Stefan Beuse, Otmar Jenner, Hartmut Pospiech, Silke Stamm, Simone Henneken und anderen sind vertreten. Zwölf von ihnen werden heute abend beim Ziegel-Fest im Literaturhaus ihre Texte vorstellen und um die Gunst des Publikums ringen. Drei von der Kulturbehörde gestiftete Preise in Höhe von 1000, 500 und 300 Mark gilt es zu ergattern, doch im Mittelpunkt soll der Spaß stehen.

Wie vor zwei Jahren, als das Ziegel-Fest zum ersten Mal äußerst erfolgreich über die Bühne ging, erhält jeder Zuschauer ein Zettelchen, auf dem er oder sie drei Favoriten ankreuzen kann. Die Autoren selbst müssen einen ihrer im Ziegel veröffentlichten Texte vortragen, dürfen also nichts Neues aus dem Hut zaubern, und sollen außerdem ein Zeitlimit von fünf Minuten nicht überschreiten. Wie Herausgeber und Mitveranstalter Jürgen Abel betont, kommt es beim Kampf um die Publikumsgunst auch nicht unbedingt auf die dramatischste Live-Performance an. Anders als bei den Hamburger Poetry-Slams zählt vor allem Qualität, für die die Atmosphäre des Literaturhauses den angemessenen Rahmen abgibt.

Volker Hummel

Jürgen Abel, Robert Galitz, Wolfgang Schömel (Hrsg.): Hamburger Ziegel VII, Jahrbuch für Literatur 2000, Doppelband inkl. CD-ROM, Dölling und Galitz Verlag, 510 Seiten, 29,80 Mark

Lesung heute Abend um 20.00 Uhr im Literaturhaus, Schwanenwik 38, Eintritt frei