Du und dein Hirn

■ Detlef B. Linke stellt sich Fragen zu Gehirn, Ich und Körper

„Gibt es Sie, Mr. Johns?“ lautet der Titel eines Hörspiels, das der Sciencefiction-Autor Stanislaw Lem Anfang der 60er Jahre schrieb. Der Mann, der sich darin vor Gericht gegen die Klage einer Cybernetics Company zur Wehr setzt, kämpft nicht nur um sein Leben, sondern um den Beweis dafür, dass er überhaupt existiert. Als Rennfahrer hat Mr. Johns so viele Körperteile durch Prothesen ersetzen lassen, dass vom organischen Gewebe nichts mehr nachgeblieben ist. Erst war es nur ein Bein, dann folgten zwei Arme, ein Brustkorb, ein Genick, die die auf solche Ersatzteile spezialisierte Firma Mr. Johns auf Ratenzahlung zur Verfügung stellte. Letzter Schritt der Umwandlung in einen vollprothetischen Menschen war der Einbau zweier künstlicher Gehirnhälften. Die Rechnung beläuft sich mittlerweile auf 56.000 Dollar, und da Mr. Johns nicht zahlungsfähig ist, klagt die Cybernetics Comp. auf Rückerstattung ihrer Prothesen...

Das Einzige, was an Lems Gedankenexperiment heute etwas angestaubt wirkt, ist sein allzu mechanisches Bild vom Menschen der Zukunft. Statt künstlicher Prothesen geht die Entwicklung immer mehr in Richtung organischer Transplantate und genetischer Manipulationen. Und der Diskurs hat sich verlagert von der fantastischen Literatur zur Wissenschaft selber. Detlef B. Linke, Professor für Klinische Neurophysiologie in Bonn, hätte mit Sicherheit Spaß an Lems Hörspiel, liebt er es doch selbst, in Büchern, Aufsätzen und Vorträgen sich Gedanken über das menschliche Gehirn und seinen Körper von den posthumanen Rändern her zu machen. 1999 erregte Linke viel Aufsehen mit seiner Fürsprache für die Kopftransplantation als einer Operation, „die als Alternative zum Tod durchaus diskutabel ist“. Und da er seine Gedanken immer bis zum Ende durchdenkt, fasste Linke auch die Möglichkeit ins Auge, Menschenköpfe auf Tierleiber zu verpflanzen: „Aus physiologischer und immunologischer Sicht wäre der Schweinekörper der geeignets-te Träger für menschliche Funktionen.“ Was im literarischen Diskurs ein Schmunzeln hervorruft, weckt aus dem Munde eines Mediziners oft das nackte Grauen.

Linke wird nachgesagt, dass er es verstehe, den Diskurs der Philosophen mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften zu kreuzen. Doch liest man seine Schriften, entsteht der Eindruck, dass Linke seine philosophisch verbrämten Fragen nur stellt, um seine längst gefundenen Antworten vor Kritik abzuriegeln. Volker Hummel

„Das Philosophische Café“ mit Detlef B. Linke, Donnerstag, 19 Uhr, Literaturhaus