„Stets auch eine Frage der Moral“

Winston Njongonkulu Ndungane, anglikanischer Erzbischof von Kapstadt, ist Globalisierungsgegner

taz: Sie werden als Globalisierungsgegner am World Economic Forum teilnehmen. Wie es heißt, halten Sie wenig von solchen Veranstaltungen. Warum fahren Sie trotzdem hin?

Ndungane: Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mit der Elite dieser Welt zusammenzutreffen, mit Leuten, die über das Leben von Millionen von Menschen bestimmen. Gerade wir als Kirchenvertreter wollen die Eliten daran erinnern, dass Führungsqualitäten stets auch etwas mit Moral und Ethik zu tun haben. Im Zeitalter der Globalisierung wird die Frage der Moral immer brennender.

Die Veranstalter befürchten Protest.

Globalisierungsgegner müssen die Gelegenheit erhalten, ihre Kritik zu artikulieren. Gewalttätigkeit, in welcher Form immer, lehne ich jedoch ab.

Würden Sie bei Gewalt eingreifen?

Ich hoffe, dass das nur eine hypothetische Frage ist. Sollte ich aber zufällig anwesend sein, würde ich versuchen einzugreifen. Gerade wir in Südafrika haben ja eine lange Tradition gewaltlosen Widerstands.

An welchen Veranstaltungen werden Sie teilnehmen?

Etwa an dem so genannten NGO-Forum, wo es um die Frage der Entschädigung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen geht. Das ist ein Problem, mit dem wir uns auch in Südafrika noch tagtäglich konfrontiert sehen. Zwar hat die Wahrheitskommission empfohlen, anerkannte Apartheid-Opfer zu entschädigen, bis heute aber ist die Regierung dieser Pflicht nicht nachgekommen, obwohl das Geld da ist. Das ist aber auch eine Frage, die die Länder angeht, die das frühere Regime unterstützt haben.

Also insbesondere die Gastgeber.

Ja, ich habe schon bei meinem ersten Besuch in der Schweiz vor einem Jahr die Forderung erhoben, dass finanzielle Wiedergutmachung an Südafrika geleistet werden müsse. Schweizer Banken haben die Apartheid-Regierung auch dann noch unterstützt, als längst Sanktionen in Kraft waren. Ähnliches gilt auch für deutsche Firmen.

Sie fordern auch einen Schuldenerlass für Südafrika, obwohl es nicht zu den ärmsten Ländern der Welt gehört.

Trotzdem muss Südafrika riesige Summen für Schuldentilgung aufbringen. Wir sind der Ansicht, dass die Schulden illegitim sind, weil sie von einem Unrechtsregime angehäuft wurden. Ganz allgemein hoffe ich, dass wir in der Schuldenfrage insgesamt weiterkommen werden. Sie hat das Ausmaß eines humanitären Notstands für die Menschen in den armen Ländern angenommen, erst recht in Afrika. Und die Globalisierung verschärft die Probleme noch.

INTERVIEW: KORDULA DOERFLER