schwarze taz
: Die außergewöhnlichen Kriminalromane des Österreichers Manfred Wieninger

Wem die Fälle davonschwimmen

„Als Privatdetektiv kommt es nicht darauf an, sieben Kampfsportarten zu beherrschen oder 64 Zigarettensorten allein an ihrer Asche zu erkennen. Man muss auch kein Orchideen- und Whiskeykenner sein, um in diesem Beruf – für den der Intelligenzquotient eines Hamsters durchaus reicht – bestehen zu können. Man muss sich nur gelegentlich in den eigenen Magen boxen und versuchen, den Stein weiter den Berg hinaufzurollen.“ So lautet das berufliche Credo von Marek Miert, Privatdetektiv in einem niederösterreichischen Städtchen namens Harland.

Der massige Ermittler, der seine Fälle durch Abschweifungen löst, wurde von dem Österreicher Manfred Wieninger erfunden und tritt gerade in seinem zweiten haarsträubenden Fall auf. Haarsträubend nicht, weil es in „Falsches Spiel mit Marek Miert“ um Blutgerichte oder Perversionen ginge, sondern weil der Autor eine eigenartige Erzählweise praktiziert: Selten sind die Kapitel mehr als zwei Seiten lang, niemals folgt ein Geschehen aus dem anderen, und schon gar nicht wird die Ermittlung von den Gesetzen der Logik bestimmt.

Zunächst muss der Leser herausfinden, wo da überhaupt ein Fall ist. Am Schluss merkt man dann, dass dem Detektiv wundersamerweise doch nicht die Fälle davongeschwommen sind, denn Weiningers wahnsinnige Erzählweise hat Methode. Sein Held stapft unverdrossen wie Philip Marlowe durch den kriminellen Sumpf, grantelt wie Thomas Bernhard an allem und jedem herum und gerät ständig vom rechten Weg ab, weil er sich von Details betören lässt wie eine Figur aus einem Robert-Walser-Roman.

Mierts zweites Abenteuer beginnt in einem Tankstellencafé. Dort wird der Detektiv von einem älteren Herrn angesprochen: „Finden Sie heraus, wer ich bin.“ Der Alte verschwindet, nicht ohne Hinweise auf Verbrechen zu geben, an denen er während der Nazizeit beteiligt war. Doch zunächst erregt ein anderer Fall die Aufmerksamkeit des Detektivs: Ein Stadtstreicher mit dem Spitznamen Roberto Blanco ist verschwunden. Er stand immer mit einem Föhn in der Hand auf einer Brücke und imitierte Geschwindigkeitskontrollen mit der Laserpistole. Der dritte Fall betrifft eine einfache Form von Wasserdiebstahl und hat Ermittlungen zur Folge, bei denen der Ermittler sich zweimal nass macht.

Dass am Schluss alles irgendwie, wenn auch nicht sauber und logisch, so doch geradezu poetisch zusammenpasst, ist das Ergebnis von Zufällen, Dummheiten und fiesen Intrigen. Dennoch liefern Wieningers Sisyphos-Krimis genaue Einblicke in jene morastigen Bereiche der österreichischen Provinz, in denen all das verrottet, was seit Jahrzehnten und Jahrhunderten unter den nationalen Teppich gekehrt wurde.

Das war auch schon im ersten Marek-Miert-Roman „Der dreizehnte Mann“ so, wo der schlaffe und schlurfende Detektiv zunächst den Auftrag bekommt, den Tod der Freundin eines Staatenlosen zu erforschen – Honoraranzahlung: ein Videorekorder – und bald noch Leichen am Hals hat, als ein Massengrab aus dem Jahr 1938 aufgebuddelt wird.

Manfred Wieninger ist eine Klasse für sich. Mit seiner assoziativen Erzählweise widerlegt er das herrschende Vorurteil, Kriminalromane müssten geradlinig, logisch und dem Realismus verpflichtet sein. Er schreibt ohne Rücksicht auf Verluste. Das können nicht viele Krimiautoren von sich behaupten. ROBERT BRACK

Manfred Wieninger: „Der dreizehnte Mann“, Europa Verlag, 189 Seiten, 29,80 DM;„Falsches Spiel mit Marek Miert“, rororo, 124 Seiten, 12,90 DM