Baschar mit Kratzern

Die syrische Polizei ermittelt noch zum Attentat auf einen Intellektuellen. Syriens Intellektuelle glauben zu wissen, wer die Hintermänner sind

aus Berlin AKTHAM SULIMAN

Am 30. Januar wurde Nabil Suleiman in seiner Heimatstadt Latakya von zwei Unbekannten auf dem Weg nach Hause überfallen und krankenhausreif geschlagen. Der 56-jährige syrische Romancier und Linksintellektuelle war in letzter Zeit mehrfach aufgefallen: In der ausländischen arabischen Presse hatte er die Ausnahmezustandsgesetze kritisiert, die in Syrien seit der Machtübernahme durch die Baath-Partei 1963 gelten. Er hatte offene Briefe mit unterschrieben, in denen syrische Künstler und Intellektuelle in letzter Zeit mehr politische Freiheiten und mehr Demokratie fordern. Erst kürzlich hatte Suleiman eine Art Kulturforum in seiner Wohnung organisiert, in dem über aktuelle Fragen des Landes, wie etwa Reformen, diskutiert wurde. Solche Foren finden regelmäßig mit Duldung des Regimes auch in anderen Großstädten wie Damaskus oder Aleppo statt.

Für viele syrische Intellektuelle steht fest, dass hinter dem Attentat auf Nabil Suleiman regimeinterne Kräfte stecken, die den Reformplänen der jungen Führung unter Bachir Assad skeptisch gegenüberstehen.

Auch Suleiman ließ von seinem Krankenbett aus verlauten, der Angriff gelte seinem Engagement und stelle eine Warnung an alle kritischen Intellektuellen des Landes dar. Khalil Matuq, Rechtsanwalt und Vorsitzender des „Kulturforums für Menschenrechte in Syrien“, verurteilte das Attentat, weil es „im Widerspruch zur demokratischen Praxis und zum Inhalt der Antrittsrede des Präsidenten Baschar al-Assad“ stehe. Der junge Präsident hatte in seiner Rede im Juli letzten Jahres auch das Thema Demokratie und Rechtsstaat angeschnitten.

Das Attentat auf Nabil Suleiman könnte jetzt Kratzer auf dem Bild von „Doktor Baschar“ hinterlassen, denn die reformistischen Kräfte des Landes, die ehemalige Tabuthemen wie ein notwendiges Parteiengesetz, Zivilgesellschaft und Menschenrechte zunehmend in die Öffentlichkeit tragen, berufen sich immer wieder auf Baschar al-Assads Worte und Anweisungen und erwarten von ihm, dass er sie unterstützt. Viele Regimekritiker sehen sich durch das Attentat in der Ansicht bestätigt, das syrische Regime sei nicht reformfähig – und schon gar nicht durch seine Vertreter. So hatte der syrische Informationsminister Adnan Umran, der bislang als Reformer und Modernisierer gegolten hatte, zwei Tage vor dem Attentat auf Nabil Suleiman bei einem Treffen mit der Auslandspresse die Verteidiger der Zivilgesellschaft kritisiert: Sie hätten den Begriff aus den USA importiert und würden im Auftrag ausländischer Mächte agieren, behauptete er. Kritiker warfen in der arabischen Auslandspresse dem Minister vor, er habe sich mit diesen Aussagen zum „Anstifter“ solcher Attentate gemacht.

Während die Menschenrechtsorganisationen und arabische Intellektuelle das Attentat auf den syrischen Schriftsteller verurteilten, ging der Vorsitzende des syrischen und arabischen Schriftstellerverbandes, Ali Uqla Ursan, von einem nicht politisch motivierten Überfall aus. Bei den Mitgliedern des Schriftstellerverbands, die sich aus Solidarität mit Suleiman versammelt hatten, stieß diese Äußerung auf Missfallen. Sie verwiesen darauf, dass Suleiman erst kürzlich wegen eines kritischen Romans vom Geheimdienst zu einem „Gespräch“ vorgeladen worden war.

„Es ist noch einiges zu erwarten“, prognostizierte der syrische Künstler Fares al-Hilu in al-Quds al-Arabi, denn „diejenigen, die in ihren bequemen Stühlen die Stimme der Freiheit nicht gewöhnt sind, werden die Zähne zeigen, wenn ihnen diese Stimme zu laut wird.“