Das UN-Tribunal spricht hohe Strafen für Vergewaltigung aus

Das Gericht in Den Haag schickt drei serbische Kriegsverbrecher bis zu 28 Jahre hinter Gitter. Sie hatten in der ostbosnischen Stadt Foca systematisch Frauen misshandelt

„Die Vergewaltigungen wurden als Terrorinstrument genutzt“

SPLIT taz ■ In Den Haag sind gestern drei der Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten serbischen Militärpolizisten zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Der ehemalige Kommandeur einer Einheit von Spezialtruppen in der ostbosnischen Stadt Foca, Dragoljub Kunarac, wurde zu 28 Jahren Haft verurteilt, die Vizekommandeure der Militärpolizei Radomir Kovac und Zoran Vuković zu 20 Jahren beziehungsweise 12 Jahren.

Die Richterin der II. Kammer des Tribunals, Richterin Mumba, erklärte die Angeklagten des Verbrechens gegen die Menschlichkeit für überführt. Nach Meinung des Gerichts sollen die Angeklagten Frauen vergewaltigt und versklavt haben. Weiterhin haben die Angeklagten Menschen gefoltert. Sie trügen auch Verantwortung daran, dass viele Zivilisten während der Haft zu Tode gekommen seien. Das Urteil erhält seine besondere Bedeutung darin, dass die Gewalt gegen Frauen nun als Kriegsverbrechen anerkannt ist.

„Die Vergewaltigungen wurden von den Angehörigen der serbischen Armeen als Terrorinstrument genutzt“, erklärte die Richterin. Es diente wie Folterungen und Mord dem Ziel, die nicht serbische Bevölkerung aus dem Gebiet zu vertreiben.

Die Geschichte des Verbrechens in Foca begann am 7. April 1992. Einheiten der bosnisch-serbischen Armee und Freischärlertruppen aus Serbien wie auch aus Montenegro drangen unterstützt durch die Jugoslawische Volksarmee in den Bezirk ein. Auch örtliche Milizen halfen den Angreifern. Der Widerstand der auf den Krieg wenig vorbereiteten muslimischen Mehrheitsbevölkerung war auch in den umliegenden Dörfern am 7. Juli endgültig gebrochen. Wer nicht nach Goražde oder Sarajevo fliehen konnte, wer nicht auf der Stelle erschossen wurde, geriet in Gefangenschaft. Männer, Frauen und Kinder wurden voneinander getrennt und in unterschiedliche Lager gebracht, die Männer in das Gefängnis Kazneno-popravni dom, dem damals größten Gefängnis Jugoslawiens. Die Fauen und Kinder in Motels, Privatwohnungen, Schulen, so in die Foca-Oberschule, die Partizan-Sporthalle und Buk Bijela. Schon dort wurden viele Frauen vergewaltigt. Später wurden sie in Privatwohnungen und Privatbordelle überführt.

Besonders schrecklich ist die Geschichte eines 12-jährigen Mädchens, das zuerst von anderen Militärpolizisten in der Kalovnik-Grundschule vergewaltigt wurde, ehe es in die Hände des Mitangeklagten Radomir Kovac gelangte. Er hielt es wie eine Sklavin. Das Gericht ging bei der Urteilsverkündigung auf dieses Einzelschicksal insbesondere ein. Erst im Februar 1993, als die Lager aufgelöst wurden, entließ Kovac die Zeugin, indem er sie an zwei montenegrinische Soldaten verkaufte.

Auch der Angeklagte Zoran Vuković ist wegen des Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt worden. Der Hauptangeklagte Draguljub Kunarac trug nach Ansicht des Gerichts die Hauptverantwortung, weil er von den Vorgängen wusste, und nichts dagegen unternahm. Im Ganzen sollen nach Berechnungen internationaler Organisationen in Bosnien zwischen 10.000 und 60.000 Frauen vergewaltigt worden sein. Das Beispiel Foca beweist, dass die serbische Polizei, die Armee und die Freischärler entgegen anderen Behauptungen eng zusammenarbeiten und systematisch vorgingen. Mit Foca begann die Offensive der serbischen Armeen in Bosnien, die im Sommer 1992 über Brcko nach Westbosnien vordrangen.

Dass am gestrigen Donnerstag das Berufungsverfahren gegen Goran Jelesić, dem so genannten Schlächter von Brcko, aufgenommen wurde, wirft ein Schlaglicht auf die damaligen Verhältnisse. Jelesić hatte sich selbst als „serbischer Adolf“ bezeichnet.

In Foca sind jedoch noch nicht alle Männer verhaftet worden, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Einige der Namen sind dem Gericht bekannt. Dass einer der Verdächtigten, Veliboir Ostujić, der Vorsitzende des Foca-Komitees, das die Verbrechen koordinierte, zum Menschenrechtsbeauftragten der Republika Srpska berufen wurde, hat vor einem Jahr in Sarajevo Empörung und Proteste ausgelöst.

Die jetzt Verurteilten waren während einer Operation der internationalen SFOR-Friedenstruppen festgenommen worden. Ein weiterer Verdächtiger, der als „Vergewaltiger von Foca“ bekannte Dragan Gagović, wurde am 22. 1. 1999 bei der Aktion erschossen. ERICH RATHFELDER