Die Zurückbeorderte

Polizeipräsidentin Uta Leichsenring bekam nach „BZ“-Schlagzeile einen Befehl von oben

von ANNETTE ROGALLA

Da griff der Innenminister von Brandenburg zum härtesten Mittel, das einem Vorgesetzen zur Verfügung steht: Er schrieb eine Dienstanweisung. Die wirkte. Uta Leichsenring brach ihren Urlaub ab. Seit gestern sitzt die Polizeipräsidentin wieder an ihrem Schreibtisch in Eberswalde. Jörg Schönbohm weiß um die Kraft des Beamtenrechts, und die BZ kann noch ein bisschen an der Macht einer Überschrift nuckeln. Auf 7,3 Zentimetern brüllte das Boulevardblatt aus Berlin gestern: „Skandal – 600 Polizisten suchen Ulrike – Polizeichefin sonnt sich in Spanien.“

Ob die Anwesenheit der Polizeichefin hilft, ein verschwundenes Mädchen zu finden? Hauptsache, sie erfülle ihre Pflichten, sagt Schöhnbohm-Sprecher Heiko Homburg. „Schließlich ist einiges los. Da ist relativ viel Polizei im Einsatz.“ Und eine Polizeipräsidentin, „die führt Polizisten“. Der Rückpfiff aus dem Urlaub sei ein „völlig normaler Verwaltungsakt“.

Lustig ist das Beamtenleben für Uta Leichsenring nicht, mit Jörg Schönbohm (CDU) als Innenminister. Die couragierte Polizeipräsidentin sorgte vor Jahren bundesweit für Schlagzeilen, weil sie hart gegen Polizisten durchgriff, die Vietnamesen misshandelt hatten. Seitdem ist sie in Brandenburg eine Symbolfigur im Kampf gegen Neonazis geworden. Schönbohm, der gerne mal vor der „Ausgrenzung“ rechter Jugendlicher warnt, reagiert allergisch auf Leichsenring. Er möchte sie loswerden. Einen Vorwand suchte er in der Zusammenlegung von Polizeipräsidien im Zuge einer Strukturreform. Nun also soll ein lang geplanter Urlaub in kritischer Zeit die Polizeichefin in Verruf bringen. Mobbing, wie es schöner nicht sein kann.

Schönbohm wird nicht viel davon haben. So schnell strauchelt die Leichsenring nicht. Bereits gegen die drohende Entlassung machten Prominente Front. Jens Reich, der ehemalige Bürgerrechtler, stellte sich hinter sie, und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse stellte sich vor sie. Und auch die SPD weiß, was sie an der „Frau mit ihrem guten Ruf“ hat. Sie ist mutig. Sie tut mehr als ihre Pflicht. Sie schmiedet mit Kirchen, Vereinen und Gewerkschaften Allianzen gegen rechts. Sie redet unerschrocken drauflos. Dafür wird sie nicht nur mit Sympathie überhäuft, sondern erhält auch Preise. Im November erst bekam sie den mit 20.000 Mark dotierten Preis für „das unerschrockene Wort“. Gegen Leichsenrings Beliebtheit ist Schönbohms Dienstanordnung nicht mehr als das, worauf sie geschrieben ist: Papier.

ANNETTE ROGALLA