„Bilder auf die Probe stellen“

„Es geht auch darum, das sakrale Wirkungspotenzial zu testen.“ Der Historiker Norbert Schnitzlerüber den ersten Bilderstürmer Moses, Hoffnungen und Motive von Bildzerstörern in der Geschichte

taz: Wer war der erste Bilderstürmer in der Geschichte?

Norbert Schnitzler: Die zentrale Geschichte der Bilderstürmerei ist der Bericht vom Tanz ums Goldene Kalb. Als Moses mit den Gebotstafeln vom Berg Sinai herabsteigt und das Kalb, um das das Volk getanzt hatte, im Feuer vernichtet. Damals wurde Götzenverehrung und Bilderstürmerei zum ersten Mal thematisiert. Die Kopplung dieser beiden Begriffe spielt übrigens bis heute eine ganz entscheidende Rolle.

Welche Argumente führen die Bilderverehrer etwa im Christentum gegen die Bilderstürmer ins Feld?

In der Folge des großen Bilderstreits zwischen Ost- undWestkirche im achten Jahrhundert, fand die abendländische Kirche ihr bestes Argument in einem Wort Papst Gregors I.: „Bilder sind notwendig, damit denen, die nicht lesen können, auch die Glaubensfrage vermittelt werden kann.“ Dieses Argument zieht sich bis in die Gegenwart durch.

Gibt es auch bei Bilderstürmern einheitliche Argumente oder Motivationen?

Nein, doch auch im Mittelalter war Bilderstürmerei nicht selten in einem politischen Kontext zu sehen: Herrscherstatuen wurden mit dem Argument des Götzendienstes angegriffen.

Was tun Bilderstürmer, wenn sie Bilder stürmen?

Die wenigsten Bilder werden restlos zerstört, sondern meist nur „verletzt“. Und die Art und Weise, wie die Bilder zurückgelassen werden, lässt Rückschlüsse auf die Motive zu. Meist geht es darum, ein Bild auf die Probe zu stellen. Man testet sozusagen das sakrale Wirkungspotenzial. Wenn es sich als nicht wirkungsvoll erweist, wird es als Spottbild zurückgelassen. So ist die Wirkung größer und langfristiger als bei einer kompletten Zerstörung.

Ist der Angriff auf die Buddhastatuen in diesem Sinne typisch?

Ja. Seit tausend Jahren gibt es ja Angriffe auf die Statuen, ohne dass sie komplett zerstört wurden. Die meisten Angriffe galten den Gesichtern. Das ist durchaus typisch. Solche Angriffe sind am spektakulärsten. Aber hier muss man sich vielmehr die Frage stellen, in wie weit religiöse Argumente vorgeschoben werden, um politische Absichten zu kaschieren. Die Taliban bedienen sich eines uralten Arguments, wenn sie sagen, die buddhistischen Statuen stellen eine Lästerung des islamischen Glaubens dar. INTERVIEW: VOLKER WEIDERMANN