Sexkaufverbot schadet den Frauen

Seit zwei Jahren ist in Schweden der Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Jetzt zieht die Polizei eine erste Bilanz. Und die ist nicht gerade rosig. Während es die Prostituierten zusehends schwerer haben, profitieren die Zuhälter von dem Gesetz

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Seit zwei Jahren gilt in Schweden ein Verbot, das den Kauf sexueller Dienste kriminalisiert. Eine erste Bilanz der Reichspolizeibehörde kommt nun zu dem Ergebnis, dass das Prostitutionsverbot sogar eher negative Wirkungen entfaltet hat: Die Prostitution habe nicht abgenommen, dafür hätten es die Frauen schwerer und die Zuhälter leichter. Erhebliche Ressourcen der Polizei würden gebunden und diese werde zu teilweise fragwürdigen oder ungesetzlichen Fahndungsmethoden gezwungen. Die Fälle, die bei der Staatsanwaltschaft landeten, würden überwiegend eingestellt, verhängte Strafen seien lächerlich niedrig.

Die Bilanz der Polizei würde damit im Wesentlichen alle Befürchtungen bestätigen, die bei Einführung des Sexkaufverbots laut geworden waren. Der sichtbare Effekt dieses von verschiedenen Frauengruppen initiierten Gesetzes ist ein deutlicher Rückgang der offenen Straßenprostitution in Großstädten. Die Bilanz der Polizei macht aber klar, dass diese „Säuberung“ ihre dunklen Seiten hat. Die Prostitution sei nicht zurückgegangen, sie habe sich nur von der Straße in illegale Bordelle verlagert und sich in immer mehr Mittel- und Kleinstädte ausgebreitet.

Anders vor dem Gesetz habe sich der Sexhandel damit polizeilicher Kontrolle immer mehr entzogen. Dadurch hätten es die Frauen, die sich noch auf der Straße prostituieren müssten, schwerer. Die Kunden seien deutlich weniger, die Preise hätten sich mehr als halbiert, drogenabhängige Prostituierte müssten doppelt so viel „anschaffen“ und seien häufiger zu ungeschütztem Verkehr bereit.

Umgekehrt hätten es die Zuhälter leichter, da es fast unmöglich geworden sei, in Prozessen aussagebereite ZeugInnen aufzubieten: Weil sie mehr als zuvor auf Zuhälterdienste angewiesen seien, um an Kunden zu kommen, verweigerten die Prostituierten die Aussage. Prostitutionskunden seien wegen Furcht vor eigener Bestrafung überhaupt nicht mehr zu Aussagen bereit.

Die Prostitution in die Gaststätten- und Bordellmilieus oder das Internet zu verfolgen, würde erheblich gesteigerte Polizeiressourcen erfordern, wobei diese jetzt schon unverhältnismäßig hoch seien, wenn man Fahndungserfolge und Strafwert berücksichtige. Von den jährlich weniger als 100 Ermittlungsverfahren führt nur jedes fünfte zur Anklage und hiervon nur die Hälfte zu Geldstrafen. Diese habe es fast durchweg auch nur gegeben, weil Sex kaufende Männer die Tat zugegeben hätten, um sich der Peinlichkeit eines Gerichtsverfahrens zu entziehen.

Einen leugnenden Sexkunden zu verurteilen sei faktisch unmöglich, obwohl die Polizei zweifelhafte Fahndungsmethoden anwende, wie heimliche Videoaufnahmen durch Autofenster. Hier würden auch Prostituierte gefilmt, obwohl sie nichts Strafbares täten. Zeige eine Prostituierte diese Menschenrechtsverletzung an, spreche einiges für einen Klageerfolg.

Die Tatsache, dass das schwedische Sexkaufverbot ein wirkungsloser und teilweise schädlicher Zwitter ist, schält sich immer mehr heraus. KritikerInnen fordern daher eine ersatzlose Streichung nach der Dreijahresfrist, die der Reichstag als eine Art „Probeperiode“ gesetzt hatte. Die BefürworterInnen fordern dagegen eine Verschärfung des Strafrahmens, eine Umformulierung, die Schlupflöcher stopft. Nicht strafbar ist bislang, wenn eine Person die Prostituierte für sexuelle Dienste mit einer anderen Person bezahlt – und verschärfte Fahndungseinsätze. Die Bilanz setzt ein klares Fragezeichen hinter den Sinn solcher Verschärfungsbestrebungen.