Feine Dame in (e)motion

■ Die Norwegerin Kari Bremnes eröffnete das diesjährige „Women in (E)Motion“-Festival

Das Adjektiv „apart“ fällt einem zu diesem Auftritt ein, auch „maniriert“ und „nobel“. Alles Worte, die kaum noch benutzt werden, weil sie solch altmodische Attitüden beschreiben. Und wenn die Sängerin Kari Bremnes dem Publikum während eines Zwischenspiels des Pianisten Bengt Hanssen mit einer genau einstudierten Bewegung ihr Profil zuwendete und dabei traurig in die Ferne blickte, dann war dies solch ein antiquierter Bühnentrick, dass man beinahe gelacht hätte. Aber das war gar nicht ironisch gemeint – Kari Bremnes spielt dem Publikum jedes Stück mit solchen theatralischen Gesten vor – da wurden alle Emotionen so überdeutlich aufgeführt, dass es nichts ausmachte, wenn man die zu Hälfte in Norwegisch gesungenen Texte nicht verstand.

Hochkultivierte skandinavische Melancholie wurde hier geboten – und goutiert. Selten war schon das Anfangskonzert von „Women in (E)Motion“ so gut besucht, und das Publikum war begeistert. Kari Bremnes mischte ja auch sehr geschickt Folk-Elemente wie norwegische Lieder oder eine Liebesballade aus Sibirien mit Pop-Songs, die sie entweder selber den großen Vorbildern wie der frühen Joni Mitchell nachempfand, oder mit ihrem ganz eigenen Ton interpretierte, wie etwa Leonard Cohens „Everybody knows“ in Norwegisch. Aber was hing einst bei den Cohen-Fans mit großer Wahrscheinlichkeit an der Wand? Ein Poster von Edvard Munchs „Der Schrei“. Und woraus bastelte sich Kari Bremnes prompt ein Lied? Immerhin aus den Gedichten, die Munch als Vorstudien zu seinem Gemälde schrieb, aber es blieb dann doch allzu bemühtes Kunsthandwerk. Darin drohte Kari Bremnes bei einigen ihrer Lieder abzustürzen. Alles klang wunderbar, aber wirklich glauben tat man ihr die Emotionen nur selten, die sie mit ihren Balladen wecken wollte. So schrieb sie ein Liebeslied darüber, dass man heute kein Liebeslied mehr schreiben kann – alles wird zu Klischee. Um mit diesem Dreh durchzukommen, müsste man dann schon ein verteufelt gutes „Neo-Liebeslied“ schreiben, und das hat Kari Bremnes leider nicht gesungen. Überhaupt ist sie eindeutig eine bessere Interpretin als Komponistin, und man hätte sich mehr Standards und Songklassiker in ihrem Programm gewünscht.

Gelungen war ihr aber eindeutig, eine wohlig wehmütige Stimmung im „Moments“ zu schaffen. In ihren Liedern liefen Schiffe die Fjorde an, wurden die unterschiedlichen Blautöne der nordischen Winterdunkelheit beschrieben, traf sie eine alte Dame in Berlin, die ihr von ihrer großen Liebe erzählte. Alles gesungen in einer reinen, schönen, klaren Stimme – und ohne jedes Augenzwinkern. In den Ansagen machte sie ein paar sympathische Scherze, aber im Grunde bot dieser Auftritt durchgehend ein warmes Bad in schön-melancholischen-sauberen Gefühlen. Im Rahmen des Festivals war dieser Auftritt erstaunlich konventionell, doch dramaturgisch klug an den Anfang gesetzt, denn in den nächsten zwei Wochen treten genug Frauen mit etwas weniger damenhaften „(e)motions“ auf. Wilfried Hippen