Jeder Zwölfte ist pleite

Immer mehr Berliner haben massive Finanzprobleme. Das gilt besonders für junge Menschen. Der Grund: hohe Handyrechnungen. Auch Häuslebauer und Selbstständige sind verschuldet

von JULIA NAUMANN

Die Berliner verschulden sich immer mehr. Wie die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner-und Insolvenzberatung (LAG) gestern mitteilte, sind „nach vorsichtigen Schätzungen“ rund 160.000 Haushalte überschuldet. Das sind derzeit knapp zehn Prozent der Berliner Haushalte. 1998 waren es noch 100.000 Haushalte, die regelmäßige Rückzahlungen an Gläubiger nicht mehr gewährleisten konnten. „Die Überschuldung steigt seit Jahren kontinuierlich“, resümierte der Vorsitzende der LAG, Martin Leinweber.

Laut Leinweber ist jeder dritte Hauptstädter verschuldet, jeder zwölfte kann seine Schulden nicht mehr begleichen. Berlin ist mit mit 575.000 Zwangsvollstreckungen und 25.000 Stromsperrungen durch die Bewag Spitzenreiter in der Bundesrepublik. Die Mietschulden der Berliner liegen bei 320 Millionen Mark.

Ursache für die steigende Verschuldung ist die schlechte soziale Lage in der Stadt. So leben drei Fünftel der Bevölkerung nicht hauptsächlich vom eigenen Erwerbseinkommen, sondern von staatlichen Transferleistungen oder elterlichem Unterhalt. Die durchschnittliche Verschuldungssumme beläuft sich laut Leinweber auf derzeit 95.000 Mark. 1995 war es rund die Hälfte weniger. Dieser enorme Anstieg habe etwas damit zu tun, dass immer mehr „Häuslebauer“ insbesondere am Rande der Stadt Probleme mit der Finanzierung ihrer Immobilien hätten, sagte Leinweber. Auch gingen immer mehr Kleinstselbständige pleite.

Und noch ein anderes Phänomen ist neu: Immer mehr junge Erwachsene verschulden sich, sagte Bettina Heine von der LAG. Ein entscheidener Grund ist die steigende Anzahl der Handys. Im vorigen Jahr hatte bereits jeder Zweite der 12- bis 19-Jährigen ein Mobilfunkgerät, 1999 waren es nur 14 Prozent. „Rechnungen von 1.500 Mark sind keine Seltenheit“, hat Heine in der Beratung erfahren. Genaue Zahlen über die Verschuldung der Youngsters gibt es jedoch noch nicht.

Unbefriegend ist nach Ansicht der LAG die neue Insolvenzordnung, nach der auch Privatpersonen Konkurs anmelden können. Der Haken bei der seit zwei Jahren geltenden Neuregelung: Der Schuldner muss die Gerichtskosten vorschießen. Dabei handele sich oft um Beiträge bis 5.000 Mark. „Das können die meisten nicht zahlen.“ Auch die Dauer des Verfahrens sei zu lange. Leinweber: „Hier gibt es dringend Reformbedarf.“