Genitalverstümmlung bleibt Tabuthema

In Berlin leben nach Schätzung der Gesundheitsverwaltung rund 2.000 beschnittene Frauen. Nur zögerlich beginnen sie, über ihr Schicksal zu reden. Die Deutsch-Afrikanische Fraueninitiative will eine Beratungsstelle eröffnen

Genitalverstümmlung ist ein schweres Vergehen an Körper und Seele von Mädchen mit meist lebenslangen schwerwiegenden Folgen. Nach Schätzungen der Deutsch-Afrikanischen Fraueninitiative (Dafi) sind die Hälfte aller zirka 4.000 in Berlin lebenden Frauen aus afrikanischen Ländern verstümmelt worden. In der Bundesrepublik sollen es etwa 20.000 sein, weltweit 150 Millionen.

Nach Angaben von Nicola Egelhof von Dafi ist die Genitalbeschneidung immer noch ein großes Tabu in der afrikanischen Community in Berlin. „Es braucht sehr viel Zeit, sich diesem Thema anzunähern“, hat Egelhof in Gesprächen erfahren. Beschneidung sei bei den Frauen, die größtenteils aus dem Sudan, aus Äthiopien und Nigeria kommen, oft immer noch positiv besetzt. „Den Frauen wird durch die Verstümmlung ihrer Scheide ein ehrbarer Platz in ihrer Gesellschaft zugewiesen“, sagt Egelhof zur Begründung. Dort herauszukommen sei sehr schwer. In Kürze will Dafi eine Beratungsstelle eröffnen, um betroffene Frauen zu beraten.

Um Hilfe in rechtlichen und medizinischen Fragen zu geben, hat Gesundheitsenatorin Gabriele Schöttler (SPD) zusätzlich ein Faltblatt herausgegeben. „Es gibt auch in Berlin zu wenig Öffentlichkeit und Informationen“, sagte Schöttler gestern.

Frauen lassen nämlich ihre Töchter auch in der Hauptstadt verstümmeln. Vor zwei Jahren wurde deshalb gegen zwei Ärzte ermittelt, die Klitorisbeschneidungen vorgenommen haben sollen. Einer der Gynäkologen wurde mit versteckter Kamera von einem ARD-Team aufgenommen. Im Film erklärte er sich bereit, für 1.200 Mark den illegalen Eingriff vorzunehmen, und beschrieb, wie er die Klitoris und die kleinen Schamlippen entfernen werde. Die Staaatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen im Herbst 1999 aber wegen mangelnden Tatverdachts ein.

Immerhin sind ein paar Fortschritte bei der Aufklärung der Frauen festzustellen: Im Familien- und Beratungszentrum Balance melden sich immer mehr betroffene Afrikanerinnen, die beraten werden wollen. Allein im vergangenen Jahr wurden drei Operationen durchgeführt, wobei der Eingang der Vagina wieder geöffnet wurde, sagte eine Mitarbeiterin. Dieser wird bei einigen Mädchen bei der Beschneidung zugenäht. Bei den Patientinnen handele es sich um junge Frauen, die sehr gut Deutsch sprächen und lange in der Stadt gelebt hätten.

Auch rechtlich hat sich etwas getan: So dürfen zum Beispiel Frauen seit vergangenem Jahr nicht mehr abgeschoben werden, wenn ihnen in ihrem Heimatland Genitalverstümmelung droht. Ein Asylgrund ist die weibliche Beschneidung jedoch nicht. JULIA NAUMANN

Das Faltblatt gibt es bei der Senatsfrauenverwaltung und der Ausländerbeauftragten. Infos zu Dafi: dafi_berlin@yahoo.com