Lotsenzwang für Ostseeschiffe

Nach der Havarie eines Öltankers mit einem Frachter wird die Forderung laut, Schiffe zur Mitnahme eines Lotsen zu verpflichten. An der dänischen Küste erschießen Jäger verklebte Vögel, um sie vor qualvollem Sterben zu bewahren

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Nach der Schiffskollision in der Ostsee schwemmte am Freitagmorgen ein Ölteppich an die Küsten der dänischen Inseln Bogö und Farö. Nach der Verdunstung leicht löslicher Bestandteile hatte das Öl eine kaugummiähnliche Substanz angenommen, die es den mit Schaufeln und Rechen ausgerückten Polizeibeamten und freiwilligen Helfern zwar erleichterte, das Öl einzusammeln. Gleichzeitig war gerade dieser kleistrige Ölschlamm verhängnisvoll für viele Schwäne und andere Seevögel. Jäger begannen im Laufe des Tages damit, hunderte von Vögeln mit ölverschmiertem Gefieder abzuschießen, um ihnen ein langes, qualvolles Sterben zu ersparen. Mehrere unterschiedliche Vogelarten haben gerade jetzt ihre Nistplätze an den betroffenen Küstenstreifen.

Trotz dieser ersten sichtbaren Spuren des Ölaustritts gab sich die dänische Einsatzleitung am Freitag optimistisch. Der Sturm, der am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag das Öl mit hoher Geschwindigkeit auf die dänische Küste zugetrieben hatte, nahm gerade noch rechtzeitig ab: Weite Teile des mehrere Quadratkilometer großen Ölteppichs dümpelten nur wenige Seemeilen vor der Küste. Man will versuchen, soviel wie möglich mit Ölbekämpfungsschiffen aufzusaugen. Jörgen Rasmussen von der Polizeieinsatzleitung in Stubbeköping: „Wir sind vermutlich haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschlittert.“

Gleichzeitig konzentrierte sich die Debatte, welche Lehren aus dem Unglück zu ziehen seien, immer mehr auf die Frage nach der Einführung eines Lotsenzwangs. Die Fraktion der linkssozialistischen „Einheitsliste“ im dänischen Parlament stellte gestern bereits die Forderung auf, Dänemark solle umgehend mit der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern über die Einführung eines Lotsenzwangs in der „Kadetrinne“ zwischen der dänischen Insel Falster und der deutschen Halbinsel Darß in Verhandlungen eintreten. Nach einer von der „Einheitsliste“ erstellten Übersicht ereignen sich dort pro Jahr 10 bis 20 Unfälle oder Beinahekollisionen.

In internationalen Gewässern wie der Ostsee könnte die Einführung eines umfassenden Lotsenzwangs nach Einschätzung des dänischen Umweltministers Svend Auken mit rechtlichen Problemen verbunden sein. Dennoch gab Auken sich entschlossen, die von Umweltschutzorganisationen schon lange geforderte Lotsenpflicht so schnell wie möglich einzuführen: „Wir dürfen jetzt nicht darauf warten, bis morgen das Gleiche wieder passiert. Ich bin zu einem Lotsenzwang bereit, auch wenn wir damit Probleme bekommen.“ Es gebe globale Seefahrtvorschriften, aber es stelle sich die Frage, inwieweit diese im Falle der Ostsee Gültigkeit hätten – einem engen Binnengewässer mit umfangreichen Schiffsverkehr und unabsehbarer Umweltbedrohung. Auken: „Hier in der Ostsee sind es oft nur ein paar Zentimeter zwischen 100.000 Tonnen Öl, einer dünnen Blechhaut und dem Meeresboden.“

Eine Lotsenpflicht für Schiffe in engen Gewässern wie der Kadetrinne, in der sich das jetzige Unglück ereignete, wurde auch von der dänischen Kapitänsvereinigung und dem Lotsenverband unterstützt. Dessen Vorsitzender Jens Fage-Pedersen: „Ich bin über das jetzige Unglück nicht die Spur überrascht.“ Auch in den Ostseeausgängen am Großen und Kleinen Belt sollte die Pflicht bestehen, einen Lotsen an Bord nehmen zu müssen. Ejnar Biilmann, Vorsitzender des dänischen Lotsenverbands: „Wir fordern das schon lange für Schiffe unter Billigflagge, da diese oft in technisch schlechtem Zustand sind und nicht ausreichend ausgebildete Mannschaften haben. Nach der jetzigen Erfahrung sollte eine Lotsenpflicht zumindest bei allen Tankern eingeführt werden.“ Umweltminister Auken kündigte an, sowohl in bilateralen Gesprächen mit den übrigen Ostseeanrainerstaaten als auch innerhalb der EU die Frage eines Lotsenzwangs umgehend auf die Tagesordnung zu setzen.