Unglück nun Katastrophe

Öltankerunglück in der Ostsee hat schwerere Konsequenzen als bislang befürchtet. Drehender Wind bedroht nun auch die Küsten Mecklenburg-Vorpommerns. Zu wenige dänische Helfer im Einsatz

von REINHARD WOLFF

Das Tankerunglück in der Ostsee hat weit schwerwiegendere Folgen als in den ersten Tagen angenommen. Mit 2.700 Tonnen Öl sind aus der „Baltic Carrier“ nicht nur 50 Prozent mehr Öl ausgelaufen als zunächst geglaubt. Auch die weiteren Folgen sind immer weniger abschätzbar.

Entgegen der Hoffnung der dänischen Behörden ist es nämlich nicht gelungen, eine größere Menge des Öls abzuschöpfen. Dieses ist vielmehr mittlerweile zum größten Teil von der Meeresoberfläche verschwunden und in tiefere Wasserschichten oder auf den Meeresboden gesunken, wo es für die herkömmlichen Ölbekämpfungsschiffe unerreichbar ist. Dort bedroht es nicht nur die Laichgebiete von Heringen und anderen Fischen, sondern wird nun noch über Wochen und Monate an die Strände gespült werden. Erstmals sprach die Regierung in Kopenhagen am Sonntag daher auch von einer Katastrophe.

Nach Ansicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist das Schweröl auch eine Gefahr für Mecklenburg-Vorpommern. Der Wind habe gedreht, berichtete Andreas Bernstorff am Sonntag von Bord des Greenpeace-Schiffes „Beluga“. „Es könnte sein, dass dadurch Ölflecken auch Mecklenburg-Vorpommern erreichen.“ Am stärksten betroffen sind derzeit die dänischen Seegebiete Hjelm Bugt und Grönsund. In der Hjelm Bugt liegt inzwischen auch die „Baltic Carrier“, die am vergangenen Donnerstag mit einem 185 Meter langen Zuckerfrachter kollidiert war. Heute soll der beschädigte Tanker leer gepumpt werden.

Bislang hatte man sich von offizieller dänischer Seite deutlich bemüht, die Lage zu entdramatisieren – offenbar in der Hoffnung, die zu Ostern in Gang kommende Touristiksaison nicht mit Hiobsbotschaften zu gefährden. Verteidigungsminister Jan Tröjberg betonte, alles sei unter Kontrolle. Eine Einschätzung, die verschiedene Umweltschutzorganisationen nicht teilen. Sowohl WWF als auch Greenpeace weisen darauf hin, dass das Öl durch das Absinken ins Meer nicht mehr unter Kontrolle sei. Der Meeresbiologe Henning von Nordheim vom Bundesamt für Naturschutz befürchtet schlimmere Auswirkungen als nach dem Unglück der „Pallas“ 1998 in der Nordsee. Damals waren rund 100 Tonnen Treibstoff ausgelaufen, was bereits den Tod von 16.000 Seevögeln zur Folge gehabt hatte. Nun handelt es sich um die dreißigfache Menge eines weitaus giftigeren Schweröltyps. Rund 20.000 Vögel sind derzeit an den bislang betroffenen Küsten und werden dort zum großen Teil brüten. Sichere Zahlen über schon verendete Vögel gibt es nicht. Beobachter gehen von mehreren tausend aus.

Dänische Medien kritisierten am Wochenende, dass die Zahl der Einsatzkräfte erstaunlich gering sei. Am Sonntag verdoppelten die Behörden denn auch die Helfer auf 200. Daneben beteiligten sich noch mehrere hundert Freiwillige an den Arbeiten.