Von Kinderfreundlichkeit weit entfernt

Die Kinder- und Jugendrichtlinien existieren seit zwei Jahren, doch sie werden von den Bezirken und Senatsverwaltungen nur schleppend umgesetzt. Die Jugendverwaltung will in Kürze Bericht vorlegen

Die vorläufige Bilanz ist wenig erfreulich: Vor zwei Jahren hatte das Abgeordnetenhaus „Leitlinien für eine kinder-und jugendfreundlichere Stadt“ beschlossen. Alle Senatsverwaltungen, aber auch die Bezirke sollten dafür sorgen, dass in der Hauptstadt nicht nur Autoabgase und Hundekot dominieren. Kinder und Jugendliche sollten mehr Mitbestimmungsrechte beim Bau von Spielplätzen und Schulen bekommen, das Wohnumfeld sollte insgesamt familienfreundlicher werden. Verpflichtend sind die Leitlinien allerdings nicht.

Und daran liegt es wahrscheinlich auch, dass es nach zwei Jahren wenig Erfreuliches zu berichten gibt. „Es ist viel zu wenig passiert“, resümiert Elfriede Ritz-Stahnke, Mitglied des Landeselternausschusses. „Die Bezirke nehmen keine Rücksicht auf die Leitlinien.“ In Stahnkes Bezirk Reinickendorf haben die Eltern deshalb im Jugendhilfeausschuss einen Antrag eingebracht, dass die insgesamt 18 Empfehlungen zukünftig umgesetzt werden sollen.

Doch die Leitlinien sind sehr global gehalten und umfassen Forderungen wie weniger motorisierter Individualverkehr, genügend Ausbildungsplätze und mehr Grünflächen. „Sie sind viel zu wenig praxisrelevant und kein Werkzeug für die alltägliche Arbeit“, kritisiert Andreas Gladisch, Leiter der Jugend- und Familienförderung in Spandau. Kindermitbestimmung sei in Spandau ein wichtiger Bestandteil, doch nicht erst seit den Leitlinien. „Wir haben vieles schon verinnerlicht“, sagt Gladisch. Effektiver wären die Richtlinien, wenn zusätzliches Geld zur Verfügung stünde. Doch Geld gibt es nicht.

In der Senatsbauverwaltung sind die Leitlinien bisher kein Thema. „Wir prüfen die Behindertenbelange und den Sicherheitsaspekte“, sagt Ulrich Bergner, der Baumaßnahmen wie die Topografie des Terrors und den Messeausbau überwacht.

Doch es gibt auch positive Beispiele. So ist in Neukölln 1999 ein Kinderbüro eingerichtet worden. Dort werden kiezbezogene Projekte organisiert, zum Beispiel eine Rathaus-Ralley oder Stadtpläne für Kinder. Monika Hoffmann-Till vom Kinderbüro hält die Leitlinien für einen „guten Ansatz“. Doch müssten die einzelnen Punkte auf die Bezirke heruntergebrochen werden, damit sie umsetzbar werden. Ein anderes positives Beispiel: Auch das Verbot von Kampfhunden stand auf der Liste. Mittlerweile sind 12 Rassen verboten, und es herrscht Leinenzwang. Die Senatsjugendverwaltung befragt derzeit alle Verwaltungen, wie sie die Richtlinien umgesetzt haben. Der Bericht soll in Kürze vorliegen. JULIA NAUMANN