Ölpest? War da was?

Dänemark kämpft noch mit den Folgen der aktuellen Tankerhavarie. Trotzdem wehrt es sich gegen eine EU-Regelung zur Tankersicherheit

aus Kopenhagen REINHARD WOLFF

An den ölverschmutzten Stränden Dänemarks sammeln Armeeangehörige und freiwillige Helfer noch immer tote Vögel ein. Während die Reinigungsarbeiten nach dem Tankerunglück der „Baltic-Carrier“ weitergehen, macht die Regierung in Kopenhagen deutlich, dass sie aus der Katastrophe offenbar keine Lehren für die Zukunft ziehen will. Denn wenn sich heute die EU-Verkehrsminister in Luxemburg treffen, um über Maßnahmen gegen Tankerunglücke zu beraten, wollen ausgerechnet die Dänen sich gegen schärfere Regelungen aussprechen.

Zur Diskussion steht ein Vorschlag der EU-Kommission, die unter anderem die Schaffung einer europäischen Seesicherheitsbehörde für bessere Schiffskontrollen vorsieht. Darüber hinaus sollen künftig alle Öl- und Chemikalientanker verpflichtet werden, den Küstenwachen genaue Angaben über Art und Menge ihrer Ladung zu machen. Zusätzlich sollen die Schiffe mit einer elektronischen Meldevorrichtung, die ständig die Position des Skippers übermittelt, und einer so genannten Blackbox ausgestattet werden. Mit diesen Fahrtenschreibern ließen sich im Falle eine Unglücks die Ursachen einfacher und schneller rekonstruieren. Um in Zukunft die Finanzierung von Sanierungsarbeiten und die Deckung von Schadensersatzforderungen garantieren zu können, will die Kommission schließlich einen gemeinsamen Fonds gründen, in den alle Tankschiffreedereien einzahlen müssen.

Eine große Mehrheit der EU-Länder unterstützt diese Vorschläge. Doch die Einführung der neuen Vorschriften droht ausgerechnet an der dänischen Regierung zu scheitern. Formal begründet sie dies damit, dass EU-Alleingänge das internationale Regelwerk der Seefahrtsvorschriften aushebeln könnten. „Als Seefahrtsnation ziehen wir eine internationale Gesetzgebung vor. Das ist eine globale Branche und da ist es gefährlich, wenn einige Länder Sondervorschriften einführen“, sagt Dänemarks Wirtschaftsminister Stavad. Er würde lieber darauf warten, dass die UN-Schifffahrtsorganisation IMO die von der EU gewünschten schärferen Bestimmungen auf internationaler Ebene einführt. Das bedeutet nach Greenpeace-Einschätzung ein Warten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag: „Wir kommen keinen Schritt weiter, wenn wir auf die IMO warten“, meint Jacob Hartmann von Greenpeace. „Andersherum macht diese Geschichte mehr Sinn: Geht die EU mit gutem Beispiel voran, wird die IMO sich schnell anschließen. Das ist in der Vergangenheit schon mehrfach passiert.“ Gilles Gantelt, Sprecher der EU-Kommission, sieht das genauso: „Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Die EU braucht schärfere Bestimmungen. Danach können wir uns auch innerhalb der IMO glaubwürdiger dafür einsetzen.“

Dänemarks konträre Haltung hat offenbar weniger mit der Furcht vor einem Aufweichen globaler Seefahrtsvorschriften zu tun als vielmehr mit der Sorge um die einheimische Reedereibranche. „Das ist recht eindeutig“, meint Jörn Jespersen, linkssozialistischer Vorsitzender des umweltpolitischen Parlamentsausschusses. „Es ist sicher kein Fehler, auch einheimische Wirtschaftsinteressen zu schützen, aber bitte nicht auf Kosten der Umwelt. Die toten Vögel von Mön sollten uns da eigentlich eine Lehre sein.“ Auch die EU wirft Kopenhagen Kurzsichtigkeit vor. „Es nutzt niemandem, nur an Wirtschaftsinteressen zu denken“, erklärt Gilles Gantelet. „Eine sichere Umwelt liegt in unserem gemeinsamen Interesse. Das kann zwar erst mal ein wenig teurer für die Schifffahrtsbranche werden. Doch langfristig rechnet sich das auch für sie.“