Castor Ost ohne Aufsehen

Anfang Mai wird Atommüll aus dem stillgelegten AKW Rheinsberg nach Greifswald transportiert. Kaum Widerstand der Region. PDS dafür, obwohl im Prinzip dagegen

BERLIN taz ■ „Machen wir den AKW-Standort wieder zur grünen Wiese!“ Diese alte Parole der Anti-AKW-Bewegung könnte im brandenburgischen Rheinsberg demnächst Wirklichkeit werden. Relativ unbeachtet sollen zwischen dem 7. und dem 13. Mai vier Castoren mit verbrauchten Brennstäben aus dem stillgelegten AKW Rheinsberg ins etwa 100 Kilometer entfernte atomare Zwischenlager Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern rollen. Das weltweit größte Projekt zur Stilllegung eines Atomkraftwerks ist dann abgeschlossen.

1966 ging Rheinsberg als erstes DDR-AKW in Betrieb. Es wurde 1990 aus Sicherheitsgründen abgeschaltet, ebenso wie das AKW Greifswald. Andere Meiler wurden nicht weitergebaut. Der geplante Castor-Transport im Osten hat bisher längst nicht so viel Aufmerksamkeit erregt wie die Züge nach Ahaus und Gorleben. Anders als im Westen sind die Ostgrünen bisher auch nicht in Erklärungsnöte geraten. Größere Diskussionen hat der Transport dagegen bei der PDS ausgelöst. Die Partei übt sich in dem Spagat, sowohl den Castor-Transport aus Rheinsberg als auch die Proteste dagegen zu billigen. Außerdem soll das Anti-AKW-Image, das sich die PDS mit ihrer Gegnerschaft zu den Castor-Transporten nach Gorleben zu geben versucht, möglichst nicht angekratzt werden. „Die Atomtransporte im Westen dienen dem Weiterbetrieb der Atomanlagen, während die Kraftwerksanlagen in Rheinsberg rückgebaut werden. Rheinsberg ist also ein Sonderfall“, meint die PDS-Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann ebenso wie die verkehrspolitische Sprecherin der Brandenburger PDS, Anita Tick.

Anti-AKW-Initiativen sehen das ganz anders. Sie werfen der PDS vor, mit ihrer Haltung den Widerstand gegen die Castor-Transporte insgesamt zu torpedieren. „Jeder Transport ist ein Sicherheitsrisiko. Zudem wird der irrtümliche Eindruck geschaffen, es gäbe eine Lösung für den Umgang mit dem Atommüll“, kritisierte Jochen Stay von der Kampagne „X-tausendmal quer“ die PDS. Regionale Anti-AKW-Initiativen befürchten zudem, dass die Transporte aus Rheinsberg eine Türöffnerfunktion haben könnten. Bei einem reibungslosen Ablauf drohe Greifswald zu einer bundesweiten Atommülldeponie zu werden. Schließlich sei das „Zwischenlager Nord“ für 6.700 Tonnen schwach- und mittelradioaktiven Atommüll ausgelegt.

Seit zwei Jahren versuchten regionale Anti-AKW-Initiativen mit Sonntagsspaziergängen und Sommercamps eine Widerstandsstruktur zu etablieren. Doch der Erfolg ist bescheiden. Denn während ein bundesweites Atommülllager in der Region äußerst unpopulär ist, findet der Transport der Rheinsberg-Castoren große Unterstützung. Schließlich hofft ein Großteil der Rheinsberger Bevölkerung, mit dem Abtransport der vier Castoren die strahlenden Altlasten endlich los zu sein, die den Ausbau der Tucholsky- und Fontane-Stadt zum attraktiven Touristenstandort behindern könnten. Die Position der Anti-AKW-Initiativen, den Atommüll in Rheinsberg zu lagern, stößt daher auf wenig Sympathie.

Unterstützung erhielt der regionale Anti-AKW-Widerstand hingegen von Gleichgesinnten im nahen Berlin. Die haben auch schon Blockadeaktionen angekündigt. PETER NOWAK