Mütter dürfen nicht obdachlos werden

aus Warschau GABRIELE LESSER

Allein im letzten Jahr wurden in Polen 41.000 Menschen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten, auf die Straße gesetzt. Die Sozialhilfe ist viel zu niedrig und so mussten sich die Polen an den Anblick bettelnder Familien und hochschwangerer Frauen gewöhnen, die die Nacht auf dem Bahnhof verbringen.

Dies zumindest soll es künftig nicht mehr geben. Vor wenigen Tagen entschied das Verfassungsgericht, dass Behinderte, Schwangere sowie Familien mit Kindern demnächst nicht mehr auf die Straße gesetzt werden dürfen. Die Gemeinden müssen eine Ersatzwohnung zur Verfügung stellen oder die Miete übernehmen.

Immer mehr junge Paare verzichten zunächst auf Nachwuchs, da die Angst vor dem Abrutschen ins soziale Nichts zu groß ist. Anders als zu Zeiten der Volksrepublik sind Kinder heute ein teurer Luxus. Es gibt kaum noch Halbtagsstellen für Frauen, der vom Gesetzgeber verordnete Erziehungsurlaub von 18 Monaten hält viele Arbeitsgeber davon ab, Frauen eine feste Stelle zu geben. Die Krippen wurden geschlossen, Kindergärten kosten oft einen halben durchschnittlichen Monatslohn, und auch die Schulen verlangen immer wieder Geld – für die Schulbücher, für die Renovierung der Klassenzimmer, für ein Schulfest, für die Schulspeisung.

Über 70 Prozent der Polen sind der Meinung, dass die Familienpolitik der christlich-konservativen Regierung zu einer Verschlechterung der Lage der Familien geführt hat. So wird die Armenstatistik längst nicht mehr von den Rentnern angeführt, sondern von allein erziehenden Müttern und kinderreichen Familien. Während in Sonntagsreden der Christlich-Konservativen die „heile Familie“ beschworen wird, sieht die Realität ganz anders aus.