Der Stadtstaat in der Region

Eine Zusammenlegung der Länder Bremen und Niedersachsen ist unwahrscheinlich. Dadurch würden die meisten Probleme der Region ohnehin nicht gelöst. Trotzdem muss Bremen viel enger als bisher mit dem Umland kooperieren, sagt der Verfassungsrechtler  ■ Professor Dian Schefold

Bremen und Niedersachsen werden auf absehbare Zeit eigenständige Bundesländer bleiben. Diese Auffassung vertritt der soeben in den Ruhestand gegangene Staatsrechtler an der Universität Bremen, Professor Dian Schefold. In seinem Abschiedsvortrag stützt er seine These auf die Erfahrungen mit Länderneugliederungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Abgesehen von wenigen Ausnahmen seien Neugliederungen – wie zuletzt die Fusion von Berlin mit Brandenburg – gescheitert. Trotzdem kann auch in Bremen nicht alles so bleiben, wie es ist. Die Europäische Union forciert die so genannte Regionalisierung, und Hannover organisiert sich gerade zu einem starken Regionalverband um. Schefold rät deshalb dringend dazu, die Zusammenarbeit und gemeinsame Planung zwischen Bremen und den niedersächsischen Nachbarkommunen und -kreisen auszubauen. In seinem Vortrag skizziert er die besonderen Probleme in der Unterweser-Region und ihre möglichen Lösungen. Er geht dabei auch auf das Anfang 2000 veröffentlichte Papier des Bremer Senatskanzleichefs Reinhard Hoffmann (SPD) ein, der eine eigene Gebietskörperschaft für Bremen und das Umland vorgeschlagen hatte. Wir dokumentieren eine gekürzte Fassung des Vortrags.

Das Scheitern der Neugliederung nach 1949, die Erfolglosigkeit des mehrfach geänderten Artikels 29 des Grundgesetzes (GG) hat Tradition. Die Länder erweisen sich als konsistent und sind bei Einhaltung demokratischer Entscheidungsprozesse nicht für Veränderungen disponibel. Soweit Schritte der Neugliederung gelungen sind, gehen sie im Wesentlichen auf das Werk des Nationalsozialismus sowie auf die Politik der Besatzungsmächte zurück. Sobald dagegen der demokratische Staat sich neu zu gliedern suchte, wandte sich demokratische Selbstbestimmung dagegen.

Ein Land Berlin-Brandenburg bliebe weiter abhängig

Aber auch zwei praktische Überlegungen weisen darauf hin, dass man Länder zwar neu gliedern und zusammenlegen kann, aber Verflechtungsprobleme damit noch längst nicht gelöst sind. Das gilt für Ländergrenzen übergreifende Agglomerationen wie den Raum Heidelberg-Mannheim-Ludwigshafen, Ulm-Neu-Ulm oder Halle-Leipzig, die ähnliche und ähnlich gravierende Probleme aufwerfen wie die Grenzen der Stadtstaaten. Neugliederungskonzepte lösen solche Probleme meist nicht – oder werden dadurch noch problematischer und angreifbarer. Und andererseits zeigen mögliche Grenzkorrekturen und Länderzusammenlegungen, dass ein davon zurzeit erhoffter Erfolg, nämlich die Verlagerung des Finanzausgleichs in die Länder hinein und damit die Entbehrlichkeit des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, dadurch nicht erreicht und allenfalls geringfügig gefördert wird. Das Gefälle finanzieller Leistungsfähigkeit ist derzeit eben vor allem ein Gefälle in West-Ost- und in Süd-Nord-Richtung. Berlin und Brandenburg blieben als zusammengelegtes Land in gleicher Weise vom Finanzausgleich abhängig wie als getrennte Länder. Für Niedersachsen und Bremen gilt nichts anderes.

Die Neugliederung des Bundesgebiets verspricht als Lösung somit wenig Erfolg. Aber es lassen sich aus ganz unterschiedlichen Ursprüngen Tendenzen konstatieren, die Gliederung des Bundes in Länder, die nach Art. 79 III GG ja unantastbar sein soll, zumindest zu ergänzen.

Soweit der Bund eine Verwaltung mit einheitlichem Verwaltungsunterbau unterhält, spielt ohnehin die Ländergliederung keine, jedenfalls keine notwendige Rolle. Nach Art. 87ff. GG darf der Bund auf den dort genannten Gebieten, zum Beispiel der Wasserstraßen, des Bundesgrenzschutzes, der Sozialversicherung, ferner auch der Bundesbank eine eigene Verwaltungsstruktur aufbauen, ohne an Ländergrenzen gebunden zu sein. Was das bedeutet, wurde Bremen durch die Neuorganisation der Bundesbank mit Gesetz vom 15. Juli 1992 demonstriert: Die Landeszentralbanken – in Wirklichkeit nachgeordnete Stellen der Bundesbank – Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wurden zu einer einzigen Landeszentralbank in Hannover zusammengefasst. Das Grundgesetz stand und steht dem nicht im Weg, mochte die Entscheidung auch eine Ohrfeige für die vom Bundesverfassungsgericht wenige Wochen zuvor empfohlene Rücksicht auf die Haushaltsnotlage Bremens auch bei Standortentscheidungen für Bundesbehörden sein. Die aktuellen Entscheidungen zur Aufgabe einzelner Standorte der Bundeswehr stellen ähnliche Probleme.

Verflechtung soll nicht durch Grenzen behindert werden

Aber schon allein im Interesse einer rationellen Verwaltungsgliederung lag und liegt es nahe, die Verwaltungsstrukturen zu harmonisieren. Territoriale Gliederung sollte und soll nicht nur politische und Verwaltungsräume ordnen, sondern die räumlichen Zuschnitte sollen und müssen auch „die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seiner ökologischen Funktion in Einklang bringen“, so § 1 II des geltenden Raumordnungsgesetzes (ROG) des Bundes. Die Regionen als Träger regionaler Raumordnung treten kraft Bundesrahmenrechts, konkretisiert durch Landesrecht, in Konkurrenz zur herkömmlichen traditionellen territorialen Gliederung des Bundesgebiets.

Das hat Folgen für Verflechtungsbereiche, die die Ländergrenzen überschreiten. Raumordnungspläne benachbarter Länder sind aufeinander abzustimmen (§ 8 II). In eigentlichen Verflechtungssituationen schreibt das Gesetz (§ 9 I 2) zusätzlich vor, dass „im gegenseitigen Einvernehmen die notwendigen Maßnahmen, wie eine gemeinsame Regionalplanung oder eine gemeinsame informelle Planung, zu treffen“ sind. Verflechtung soll durch Grenzen nicht behindert werden.

Hoffmanns Kritiker übersehen die Basis seiner Thesen

Damit ist, vor allem, der Stadtstaat in die Region gestellt. Die Ländergliederung wird laut Gesetz durch eine Regionalgliederung ergänzt. Dies ist der rechtliche Ansatz nicht nur der Gemeinsamen Landesplanung Bremen/Niedersachsen und der bestehenden Regionalen Arbeitsgemeinschaft, sondern auch weitergehender Modelle eines Regionalverbands, wie er im Gutachten für die Gemeinsame Landesplanung vorgeschlagen und seitdem durch den Verfassungsrechtler Andreas Bovenschulte in den Zusammenhang einer Diskussion der Gemeinedeverbands-Ebene gestellt worden ist – und wie ihn, als isoliert bremisches Postulat, Staatsrat Reinhard Hoffmann in seinem Aufsehen und Widerstand provozierenden Papier über die Regionalkörperschaft Bremen-Unterweser vom 3. Januar 2000 entwickelt hat. Die Kritik, die die vielleicht allzu Bremen-orientiert formulierte Konzeption zurückgewiesen hat, verkennt, dass der Vorschlag durchaus auf der Linie der historischen und verfassungsrechtlich begründeten raumordnungsrechtlichen Vorschriften entwickelt worden ist und keineswegs „neue Elemente in die verfassungsrechtliche Struktur der vom Grundgesetz konstituierten Staatlichkeit einfügt“, wie es in dem Papier heißt.

Allerdings wäre es wohl besser gewesen, dies gleich zu sagen und zu begründen. Dies, mit der nötigen Differenzierung und Begrenzung der Funktionen einer solchen Regionalkörperschaft einerseits, der Diskussion der Folgen für die territoriale Gliederung hier um Bremen andererseits, möchte ich an dieser Stelle versuchen.

Die EU betätigt sich als Haupt-Motor der Regionalisierung

Die Bedeutung einer solchen zusätzlichen regionalen Ebene hat in den letzten Jahren aus weiteren Gründen zugenommen. Gegenstand des eigenen Verwaltungsunterbaus des Bundes war ja bis vor kurzem – und ist teilweise bis heute – die Eisenbahnverwaltung. Mit deren teilweiser Privatisierung ist auch an der Unterweser eine Regionalisierung ermöglicht. Aber Träger des ÖPNV sind weder Bund, noch Land, sondern die jeweiligen zentralen Orte, deren Region erschlossen werden soll. Das hat zur Schaffung eines grenzüberschreitenden Zweckverbands zwischen Bremen, Bremerhaven und den (meisten) beteiligten niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten geführt. Der Zweckverband Verkehrsverbund Bremen-Niedersachsen (VBN) ist, wie die anderen Verkehrsverbünde, daher bereits eine Regionalkörperschaft, ungeachtet der Landesgrenzen, die die Kooperation zwar erschweren, aber nicht ausschließen.

Mehr noch: Als Motor der Regionalisierung hat sich in den letzten Jahren vor allem die Europäische Gemeinschaft betätigt. In Deutschland sind die daraus resultierenden Einwirkungen ambivalent. Einerseits suchen sich die Länder – auch Bremen – den Regionalfonds und die anderen Strukturfonds der EU zunutze zu machen. Andererseits begünstigen die Förderungsbedingungen auch die Entstehung neuer Entwicklungsgebiete und -träger, innerhalb der Länder oder über deren Grenzen hinweg, eben im Sinn einer Regionalpolitik, die auch hier die Länder konkurrenzieren kann. Für Nordwestdeutschland sei auf die Neue Hanse Interregio hingewiesen.

In Deutschland wollen alle „die Regionen“ sein

Spätestens die Konferenz von Maastricht hat gezeigt, welche Bewegungen durch all dies induziert worden sind. Die Schaffung des Regionalausschusses der EG war die Antwort – und damit ein Sieg des Regionalisierungsgedankens, der Modelle eines „Europa der Regionen“ nahe legte. Nur, wer sind die Regionen? Der EG-Vertrag sagt darüber nichts, sondern spricht nur von den „regionalen und lokalen Gebietskörperschaften“. Offenbar sollten die Mitgliedstaaten nicht festgelegt werden, wie sie die Regionen definieren, abgrenzen und zu Kreationsorganen des Ausschusses machen.

Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass nach dem deutschen Ausführungsgesetz zu Art. 23 VII GG (§ 14) die Bundesregierung dem Rat als Mitglieder des Ausschusses der Regionen die von den Ländern benannten Vertreter vorschlägt. Insofern scheint es, dass die Länder die Stellung der Regionen in der Gemeinschaft für sich beansprucht haben – oder zumindest beanspruchen wollten. Aber letztlich haben die kommunalen Spitzenverbände durchgesetzt, dass sie – also Landkreistag, Städtetag, Städte- und Gemeindebund – wenigstens mit je einem Vertreter ebenfalls im Regionalausschuss vertreten sind. Nur an diesem schwachen Ansatz zeigt sich, dass auch die europarechtliche Vertretung der Regionen mit der Stellung der Länder konkurriert.

Konkurrenz der Planungsräume wird immer größer

Versuchen wir eine Zwischenbilanz. Eine Neugliederung des Bundesgebiets, die ein ganz andersartiges Konzept des Zuschnitts der Länder zur Folge hätte haben sollen, hat sich als Konzept nie durchsetzen können. Einzelmaßnahmen haben sich als um so schwieriger erwiesen, je konkreter die politische Ordnung auf den Willen der Bürger Rücksicht genommen hat. Der freiheitlich demokratische Staat Bundesrepublik Deutschland hat sich gegen Neugliederungsmaßnahmen als resistent erwiesen. So gesehen, wäre es vielleicht kein gutes Zeichen, wenn solche Maßnahmen in einem Einzelfall gelängen.

Wohl aber hat sich ein Abweichen des territorialen Gliederungskonzepts von der Gliederung der Länder Bahn gebrochen. Insofern zeichnen sich konkurrierende räumliche Gliederungsstrukturen ab, in deren Rahmen Neuordnungen erfolgen könnten. Die konkrete Ausgestaltung wirft jedoch schwierige Probleme auf.

Die Region Hannover spielt eine vorbildliche Rolle

Versuchen wir eine solche das Bundesland Bremen übergreifende Neuordnung für Nordwestdeutschland zu skizzieren, so haben wir von der Konkretisierung des Raumordnungsgesetzes des Bundes durch das Niedersächsische Raumordnungsgesetz auszugehen. Dessen § 7 stellt als Prinzip auf, dass die Landkreise und kreisfreien Städte für ihr Gebiet Träger der Regionalplanung sind. Die Regelung hat Vorteile: Sie ist einfach und stärkt die Selbstverwaltungsebene. Allerdings steht dem die Gefahr einer Abschottung der Planungsräume gegenüber. Immerhin sieht das Niedersächsische Landesraumordnungsprogramm deshalb Planungsräume vor, die die Fläche einzelner Landkreise erheblich überschreiten. Entsprechend sucht das Gesetz einen milden Druck auf die Landkreise auszuüben, zur Bildung solcher Planungsräume Zweckverbände zu bilden.

Das ist auch nötig. 38 Landkreise und neun kreisfreie Städte – das können nicht alles eigenständige Planungsräume sein, und bei allem Respekt vor der kreisfreien Stadt Delmenhorst erscheint die Vorstellung, sie sei ein regionaler Planungsraum, eher grotesk. Konkret nennt das Niedersächsische Landesraumordnungsprogramm acht Planungsräume um Oberzentren und erwähnt außerdem die oberzentrale Funktion von Hamburg und Harburg, Bremen und Bremerhaven, Kassel sowie Enschede für Teile Niedersachsens. Das gibt eine Vorstellung, wie eine Regionalplanung in Niedersachsen aussehen könnte und sollte, wobei im Einzelnen durchaus zu begrüßen ist, wenn die gesetzlichen Träger der Regionalplanung an der Konkretisierung dieser Entscheidung maßgeblich beteiligt werden.

Ein konkretes Beispiel dafür, wie das funktionieren kann, hat in den letzten Jahren und Monaten die Region Hannover gegeben. Seit den 60er Jahren gab es dort Versuche, einen Regionalkreis oder Verband Großraum Hannover zu bilden – mit der Folge, dass die Betroffenen in Stadt und Land sich widersetzten. Für Hannover hat der Widerstand zur Folge gehabt, dass die Verbandslösung durch Gesetze von 1980 und 1992 erheblich abgemildert und ein „Kommunalverbund Großraum Hannover“ geschaffen worden ist. Aber die Beteiligten haben gelernt, aufeinander zuzugehen. Das wurde dadurch begünstigt, dass Hannover als kreisfreie Stadt von einem Landkreis umgeben ist, der von Hannover aus verwaltet wird und das ganze nähere Umland umfasst. Kreisfreie Stadt, Landkreis und Kommunalverbund stehen somit nebeneinander, mit Zuständigkeiten, die teilweise zusammengehören und der Koordination bedürfen. Die Notwendigkeit der Absprachen hat die Beteiligten überzeugt. Im November 1996 haben daher die Verwaltungschefs der Stadt Hannover, des Landkreises und des Kommunalverbunds gemeinsam vorgeschlagen, eine Region Hannover zu bilden, in der Landkreis, kreisfreie Stadt und Kommunalverbund aufgehen sollten. Der Vorschlag wurde eingehend konkretisiert und ist jetzt auf dem Weg der Verwirklichung. Noch in diesem Jahr soll eine Regionsversammlung und eine Regionspräsidentin oder ein Regionspräsident direkt durch die Wahlberechtigten der Region gewählt werden, so dass die Region als solche ihre Tätigkeit aufnehmen kann. Ihr soll auch ein Teil der Zuständigkeiten der Bezirksregierung Hannover für das Gebiet der Region übertragen werden.

Das Umland orientiert sich zum großen Teil nicht nach Bremen

Damit ist für Stadt-Umland-Verbände ein besonders überzeugendes Konzept entwickelt worden. Zwar sind Konflikte, vor allem wegen der Ungleichheit der Entwicklung von Stadt und Umland, auch in Zukunft absehbar. Aber die vorgesehene Organisation schafft die Ebenen, um solche Konflikte zu bearbeiten.

Angesichts dieses Modells liegen Schlussfolgerungen für Bremen nahe. Offenbar hat dies auch den Vorschlag von Staatsrat Reinhard Hoffmann geprägt. Auch in diesem Vorschlag ist von einer direkt gewählten Vertretungskörperschaft der Region und einem Verband mit Relevanz auch für die staatliche Ebene die Rede. Vor allem aber legt die Konkurrenz der Stadtregionen auch für den Unterweserraum eine verstärkte Zusammenarbeit nahe. Dafür gibt es weitere Vorbilder, nächst älteren Modellen wie dem Umlandverband Frankfurt und der Region Heidelberg/Mannheim/Ludwigshafen die Schaffung von Regionen insbesondere in Stuttgart und Saarbrücken sowie die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit in Hamburg und – trotz gescheiterter Länderfusion – in Berlin. Nach einer gewissen Stagnation in den 80er Jahren wird man daher sagen dürfen, dass die Regionalisierung im Umfeld der Städte einen neuen Aufschwung genommen und auch den Unterweserraum erfasst hat.

Aber dabei gilt es, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen im Auge zu behalten. Gewiss, auch Bremen hat seine Umlandgemeinden, so dass man von einer „natürlichen“ Region Bremen sprechen kann. In diesem Sinn spricht das Papier von Staatsrat Hoffmann von einem 30-Kilometer-Umkreis. Auch die Mitgliedschaft im Kommunalverbund der Gemeinden um Bremen, einer freiwilligen privaten Assoziation der Gemeinden, gibt insofern Anhaltspunkte. Aber die verwaltungsmäßige Gliederung weicht davon entscheidend ab. Ein Ringkreis wie in Hannover ist in Bremen ausgeschlossen. Die Stadtgemeinde grenzt an fünf niedersächsische Landkreise und die kreisfreie Stadt Delmenhorst; die meisten dieser Landkreise – außer Osterholz-Scharmbeck – erstrecken sich ganz weit weg von Bremen. Dieses Umland hat mit einem landesplanerischen „Ordnungsraum“ Bremen nichts zu tun. Sodann gehören andere Landkreise im Umland, insbesondere Rotenburg/Wümme und Cuxhaven, schon nicht mehr zu den Nachbarlandkreisen. Ferner ergibt sich eine Überschneidung mit dem Umland Oldenburgs, das sich nach Westen ins Ammerland erstreckt, so dass von einer Region Bremen/Oldenburg gesprochen werden muss. Schließlich muss Bremen ein Interesse daran haben, auch Bremerhaven in sein Umland einzubeziehen. Hier ist in der Tat Cuxhaven ein Ringkreis – aber er ist so groß, dass er weniger auf Bremerhaven, als auf das eigene Zentrum Cuxhaven und auf den Sog Hamburgs ausgerichtet ist.

Im Vergleich zu Hamburg und Hannover ist Bremen schwach

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn eine bremische Sicht – der Vorschlag von Staatsrat Hoffmann – den Kreiszuschnitt völlig negieren will. Aber das ist weder realistisch, noch liegt es im Interesse einer Kooperation. Wenn jedoch Kooperation angestrebt wird, wie es die Gemeinsame Landesplanung Bremen/Niedersachsen versucht, drängt es sich auf, die beteiligten Landkreise ganz einzubeziehen, das Gebiet zusätzlich im Südwesten und gegen Wilhelmshaven und Friesland hin zu arrondieren. Daraus ergibt sich ein riesiges Territorium mit über zwei Millionen EinwohnerInnen, das mit Bremen großenteils wenig zu tun hat. Umgekehrt muss jedoch konstatiert werden, dass Rotenburg/Wümme mit der Bremer Umlandpolitik nichts mehr zu tun haben will, und dass auch Cuxhaven sich überwiegend abweichend orientiert.

Weiter verschärft wird die Situation durch die Zuständigkeit der niedersächsischen Bezirksregierungen, also der staatlichen Mittelinstanz, die die Selbstverwaltungsträger beaufsichtigt und staatliche Aufgaben wahrnimmt. Insofern unterstehen die westlich Bremens gelegenen Kreise der Bezirksregierung Weser-Ems, Diepholz untersteht Hannover, die östlich gelegenen Landkreise der Bezirksregierung Lüneburg. Im Bremer Umland beanspruchen somit drei der vier niedersächsischen Bezirksregierungen Mitsprache.

Der Finanzausgleich erschwert regionale Lösungen

Bremen ist daher von Landkreisen und Bezirksregierungen umgeben, die nicht auf Bremen und auf Kooperation, sondern auf andere Mittelpunkte und auf eine selbständige Struktur hin orientiert sind. Von daher wird der Bedarf nach Kooperation abgeschwächt und heruntergespielt, wenn nicht negiert.

Zusätzlich waren weitere Probleme zu konstatieren. Die unterschiedlichen Akteursstrukturen, in Bremen die weitgehende Unabhängigkeit der einzelnen Senatsverwaltungen, im Umland die monokratischen Strukturen in der Kommunalverfassung, neuerdings durch die Direktwahl noch verstärkt, und Bezirksregierung passen schlecht zusammen. Bremen sucht primär finanzielle Entlastung bei der Wahrnehmung seiner oberzentralen Funktionen, das Umland ist an besserer Verkehrserschließung interessiert. Wegen der Finanzkrise vor allem in Bremen fehlen die Mittel, der Kooperation dienende Vorhaben zu finanzieren, so dass das Interesse des Umlands weiter schwindet. Die Problematik des Finanzausgleichs, die an sich mit den regionalen Problemen nichts zu tun hat, droht Bremen auch in Gegensatz zu Niedersachsen zu bringen und damit regionale Lösungen zu erschweren.

So klafft ein Widerspruch zwischen den konkreten Notwendigkeiten der Verwaltung, die gegenläufig sind, und der Notwendigkeit, den Kooperationsbedarf konkret zu umschreiben und als Thema der Region zur Sprache zu bringen. Gewiss, es gibt gemeinsame Interessen, und es ist ein Verdienst des Papiers von Staatsrat Hoffmann, darauf hingewiesen und die Notwendigkeit ihrer Artikulation betont zu haben. Aber von dort bis zur wirklichen gemeinsamen Artikulation ist ein weiter Weg.

Vor diesem Hintergrund ist die Leistungsfähigkeit der Kooperationsmechanismen zwischen Bremen und seinem Umland zu beurteilen. Die Wurzeln reichen weit zurück. Ein preußisch-bremischer Staatsvertrag vom 21. Juni 1930, dessen Einzelregelungen überholt sind, hat das bis heute gültige und fortgeltende Prinzip aufgestellt, dass gemeinsame Probleme behandelt werden sollten „als ob Landesgrenzen nicht vorhanden wären“.

Zusammenarbeit ist bisher auf Minimalkonsens beschränkt

In der Tat ist seit dem 9.6.1963 eine Gemeinsame Landesplanung institutionalisiert und seitdem mehrfach, insb. 1976, 1991 und 1996 neu geregelt worden. Grundlage der gemeinsamen Planung sind Aktivitäten der Landesregierungen. Dadurch kommt jedoch die Region zu wenig zu Wort. Seit 1977 gibt es daher eine Regionale Arbeitsgemeinschaft (RAG) der beteiligten Landkreise und kreisfreien Städte, insbesondere auch Bremens und Bremerhavens, und der Vertreter der drei zuständigen Bezirksregierungen. Ferner ist seit 1991 der Kommunalverbund Bremen-Niedersachsen, also die Vereinigung der Gemeinden des Umlands, und später auch eine entsprechende Verbindung der Gemeinden an der Wesermündung daran beteiligt worden. Seit 1997 unterhält die Gemeinsame Landesplanung auch eine Geschäftsstelle in Syke, so dass es einen Ansatzpunkt regionaler Verwaltung gibt.

Damit besteht ein Forum für Aussprache, Koordination, Kooperation, eben regionale Arbeit. Es ist anpassungsfähig, in der Art eines Netzwerks, und ermöglicht eine gewisse Entwicklung. Aber sie stößt an zwei Schranken. Einerseits ist eine Arbeitsgemeinschaft eine ganz lockere Kooperationsform, lockerer als ein Zweckverband, und für Beschlüsse auf Einstimmigkeit angewiesen. Die Zusammenarbeit beschränkt sich daher auf einen Minimalkonsens, wobei die durch die Größe und Heterogenität des Gebiets bestimmten divergierenden Interessen überwiegen. Andererseits ist die Regionalplanung, wie ausgeführt, Sache der Landkreise, so dass die regionale Arbeitsgemeinschaft allenfalls koordinierend, vorbereitend, beratend tätig werden, aber keine planerischen Entscheidungen fällen kann.

Im Verkehrsverbund VBN funktioniert die Region doch

Um diese Schranke zu senken, ist der Versuch gemacht worden, zwischen die Landesraumordnung und das Regionale Raumordnungsprogramm ein „Regionales Entwicklungskonzept“ einzuschalten, das Anstöße für die regionale Raumordnung der Landkreise und die Flächennutzungsplanung der Städte geben soll. Aber, abgesehen von der Kompliziertheit eines solchen zusätzlichen Planungsinstrumentariums: Anregungen bedeuten nur in geringem Umfang planerische Entscheidungen, und schon gar keine negativer Art. Wären in der Region Bremen nicht weitergehende Maßnahmen notwendig?

Die Frage drängt sich um so mehr auf, als inzwischen für den öffentlichen Personennahverkehr das Regionalisierungsmodell Gestalt angenommen hat. Bremen, Bremerhaven, Oldenburg, Delmenhorst und die benachbarten Landkreise haben einen Zweckverband gebildet und eine Verbandssatzung erlassen. Die daraus resultierenden Disparitäten des räumlichen Zuschnitts sind dadurch abgemildert worden, dass weitere Gemeinden aus den Landkreisen Nienburg, Rotenburg und Cuxhaven Assoziierungsverträge mit dem Zweckverband geschlossen haben. Damit ergibt sich ein konkretes Feld der Kooperation in einer auch faktisch funktionierenden Region. Zu den Aufgaben des Zweckverbands gehört auch der Beschluss über einen Nahverkehrsplan, also ein wesentliches Element von Regionalplanung. Aber dieses bleibt isoliert. Im Übrigen ist der Anspruch der Region auf Planungsentscheidungen zur Sicherung einer koordinierten Entwicklung nicht eingelöst. Angesichts der Stärke Hamburgs einerseits, des großen Schritts Hannovers hin zur Region andererseits erweist sich die Region Bremen als zu schwach.

Eine echte Regionalplanung ist dringend nötig

Versuchen wir dem gegenüber, Aufgaben, Zuschnitt und Struktur einer Region Bremen oder Unterweser sinnvoll zu definieren! Angesichts der Ressourcenknappheit sind notwendige Maßnahmen vor allem eine sinnvolle Strukturpolitik, vor allem was Siedlungsräume, Gewerbe- und Industrieflächen, Großvorhaben der Versorgung und Entsorgung sowie Erholungs- und Naturschutzgebiete betrifft. Soll all das kostengünstig und mit Wirkung für die Region geplant werden, so ist eine gemeinsame Planung nötig: eine echte Regionalplanung mit Rückwirkungen auf Wirtschaftsförderung und Verkehrserschließung.

Dabei ist auch an die Finanzierung gemeinsamer Einrichtungen und an die Folgen der Planungsentscheidungen für den Länderfinanzausgleich, insbesondere an Maßnahmen zu denken, die die Suburbanisierung, also die Abwanderung von Bevölkerung ins Umland bremsen, damit die Kernstadt ihre Funktionen erfüllen, von der Einwohnerwertung profitieren kann. Allerdings ist vor der Illusion zu warnen, dass eine Betonung der Region die Probleme des bundesstaatlichen Finanzausgleichs lösen könne. So wenig wie eine Neugliederung einen Finanzausgleich in der Bundesrepublik insgesamt entbehrlich machen könnte, so wenig kann es auch eine Regionalisierung. Wer mehr verspricht, weckt falsche Erwartungen.

Dennoch, auch für die erwähnten Aufgaben und im Interesse der dadurch möglichen Einsparungen und Synergien ist ein entscheidungsfähiger Regionalverband nötig. Von beiden Seiten her, der Ermöglichung einer engeren Kooperation und der Festlegung der landesplanerischen Grundlagen, bedarf es somit einer verbindlichen rechtlichen Basis. Hier liegt der Schlüssel für weitere Gestaltung.

Allerdings, ein Schlüssel ist noch nicht der Raum hinter der Tür; Staatsverträge können gemeinsames Tätigwerden nicht ersetzen. Faktische Kooperation, die stattgefunden hat und stattfindet, ist Voraussetzung einer Entwicklung zur Region und muss ins Bewusstsein der BürgerInnen dringen. Dadurch kann sich ein gleitender Übergang von der bisherigen zu einer verfestigten Zusammenarbeit ergeben.

Damit er möglich und plausibel ist, ist allerdings ein Schritt aus dem Käfig der bloß verwaltungsinternen Kooperationsprozesse nötig. Die Region muss den Zusammenhalt, die gemeinsame Verantwortung empfinden. Zu diesem Zweck dürfte es zwar nicht nötig sein, einen intraföderativen Regionalverband mit eigener Staatlichkeit vorzusehen, wie es das Papier von Staatsrat Hoffmann vorgeschlagen hat. Sondern es geht darum, den Regionalverband in die bestehenden staats- und verwaltungsrechtlichen Strukturen einzufügen. Insofern ist zu Recht kritisiert worden, dass Bremen sich zu wenig um die Strukturen und Gegebenheiten seines Umlands kümmere. Eine Regionalkörperschaft muss sich, wie mit den Gegebenheiten des bremischen Verfassungsrechts, auch mit denen der umliegenden Gemeinden, Städte, Landkreise und des Landes auseinander setzen. Auch wenn der heutige Zuschnitt der niedersächsischen Landkreise für Bremen nachteilig ist, ist er nun einmal geltendes Recht.

Die Volksvertretung der Region muss direkt gewählt werden

Aber für die nötigen Kompromisse lassen sich Gesichtspunkte gewinnen. Ein erstes Argument ergibt sich aus dem Kreis der Mitglieder des Kommunalverbunds Bremen-Niedersachsen; er artikuliert das Interesse der Betroffenen. Ein weiteres Argument kann sich aus dem Einzugsgebiet der VBN ergeben. Wenn das Einzugsgebiet der Mitglieder des Zweckverbands eine eher hybride Form aufweist, zeigen die geschlossenen Assoziationsverträge, welche Gemeinden sich als zum Einzugsbereich Bremens und Bremerhavens gehörig fühlen. Und wenn schließlich das Niedersächsische Landesraumordnungsprogramm einen Ordnungsraum der Oberzentren Bremen, Bremerhaven und Oldenburg konstatiert, der teilweise stark von den Grenzen der Landkreise abweicht, so sind dies Gesichtspunkte, die in die Abwägung im Hinblick auf eine sachgerechte Abgrenzung der Region einzubeziehen sind.

Wohlgemerkt: Die Abgrenzung im Einzelnen ist keine Rechtsfrage und überschreitet den Kompetenzbereich des Juristen. Aber sie ist zu diskutieren im Rahmen einer Kooperation, wie sie an der Universität Bremen vielfach möglich ist und für die ich dankbar bin. Zielvorstellung muss jedenfalls eine Kooperation der beiden Länder und eine gesetzliche, möglicherweise staatsvertragliche oder mit einem Staatsvertrag verbundene Regelung sein.

Zur möglichen Organisation eines Regionalverbands gilt Ähnliches. Überlegungen dazu sind seinerzeit im Gutachten zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Landesplanung unter Mitarbeit von Andreas Bovenschulte entwickelt worden. Wichtig daran war uns, die bestehende Struktur der Regionalen Arbeitsgemeinschaft einzubeziehen, also die (parlamentsähnliche) Verbandsversammlung des Regionalverbands durch Mitsprache eines Gremiums der Spitzenbeamten der beteiligten Gebietskörperschaften, ähnlich dem Bundesratsprinzip, zu ergänzen. Ferner war die Geschäftsstelle der Gemeinsamen Landesplanung von Anfang an als Keimzelle einer Verwaltung der Region konzipiert. Ziel sollte hier die Bestellung eines Verbandsdirektors oder Regionspräsidenten sein. Der Übergang zur Verbandslösung sollte somit nach und nach, als Ergebnis faktischen Zusammenwachsens, erfolgen können.

Diese Überlegungen scheinen mir nach wie vor zutreffend. Allerdings hat schon damals die Diskussion des Gutachtens gezeigt, und die seitherige Entwicklung, vor allem in Hannover und im Anschluss an den Entwurf von Staatsrat Hoffmann hat bestätigt, dass für den Fall der Schaffung eines Regionalverbands die Direktwahl der Volksvertretung konkret zu erwägen wäre.

Alternativ dazu käme in Betracht, an den bestehenden und auf der Vereinbarung der beteiligten Gebietskörperschaften beruhenden Zweckverband der VBN anzuknüpfen. Da die Regionalisierung des ÖPNV ein Anlass zur Artikulation der Region gewesen ist, hier bereits eine Organisation besteht und da alle Funktionen eines Regionalverbands auch mit Verkehrsfragen verknüpft sind, könnte es sinnvoll und ein einfacher Weg sein, zunächst die Aufgaben des Zweckverbands VBN zu erweitern und dann daraus einen eigentlichen Regionalverband zu entwickeln.

Dieses Konzept geht gegen mancherlei Interessen

Es bleibt das Problem der Einordnung der Region in die Gliederung der niedersächsischen Bezirksregierungen, deren Zuständigkeitsbereiche die Region zerschneiden, in ihrer Existenz negieren und daher damit kaum zu vereinbaren sind. Man wird das Problem schwerlich durch einfaches Postulat der Herausnahme aus der Bezirksgliederung lösen können, wie es Staatsrat Hoffmann will. Aufsicht über die Selbstverwaltung ist ein Grundproblem eines Flächenstaats. In der Region Hannover ist das Problem dadurch entschärft worden, dass die Zuständigkeit der Bezirksregierung teilweise auf die Region übertragen und diese direkt der Landesregierung unterstellt worden ist. Für die Region Unterweser drängt sich eine entsprechende Lösung auf.

Das hier vorgestellte Konzept geht gegen mancherlei Interessen. Das hat Staatsrat Hoffmann zu spüren bekommen, aber es hat sich auch an der Reaktion auf das vorsichtige, kleine Schritte einbeziehende, Schwierigkeiten aufarbeitende Gutachten für die Gemeinsame Landesplanung gezeigt. Angesichts solcher Widerstände gilt es, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, aber die Schwierigkeiten nach und nach zu lösen, die Partner in kontinuierlicher gemeinsamer Diskussion zu überzeugen. Die Maxime des „Wagen und Winnen“ mag für Fernexpeditionen bremischer Kaufleute taugen, weniger aber für eine Kooperation mit einem skeptischen, teilweise noch bäuerlichen Umland.

Bremens Partnerschaft Gdansk, Danzig, hat eine vorsichtigere Maxime entwickelt, die auch für den Weg zur Region Bremen gelten könnte: „nec temere, nec timide“, weder tollkühn, noch schüchtern. Diese behutsamere Beharrlichkeit auf dem Weg in die Region wünsche ich dem Stadtstaat, dem gegenüber ich nun meine Lehrverpflichtung erfüllt habe – dem ich mich aber weiter als Beteiligter verbunden fühle.